BERLIN
Die Region Berlin ist ein Hotspot der KI-Forschung. Einer Studie der Technologiestiftung Berlin zufolge forschen an den Hochschulen und außeruniversitären Instituten rund 60 Professoren zu Themen der Künstlichen Intelligenz. Ein wissenschaftliches Highlight der Region ist das Exzellenzcluster „Science of Intelligence“. „Wir kommen aus unterschiedlichen Disziplinen und wollen verstehen, was Intelligenz ist“, sagt Oliver Brock, Professor für Robotik an der Technischen Universität Berlin und Sprecher des Clusters. Dessen besonderer Clou: Gewonnene Erkenntnisse werden gleich umgesetzt, etwa in vielseitig einsetzbare Roboterhände nach menschlichem Vorbild. „Roboter sind verkörperte Intelligenz und insofern ein zentrales Element der KI“, sagt Brock, der vor zehn Jahren als Humboldt-Professor aus den USA nach Berlin kam. Inzwischen sind auch viele nationale und internationale KI-Unternehmen in der Region vertreten, darunter Branchengrößen wie Google. Und 50 Prozent der deutschen KI-Start-ups haben sich hier angesiedelt, wie die Plattform #ki–berlin meldet.
BERLIN
DRESDEN
LEIPZIG
RHEIN/RUHR
MÜNCHEN
HOTSPOT DER
KI-FOSCHUNG
DFKI
„50 Prozent
der deutschen
KI-Start-ups
sitzen in Berlin.“
TÜBINGEN
In Dortmund laufen viele Fäden der deutschen KI-Szene zusammen. Von hier aus koordiniert die Informatikerin Katharina Morik die sechs Kompetenzzentren Künstliche Intelligenz und organisiert die KI-Zusammenarbeit mit Frankreich. Zudem kümmert sie sich um das Kompetenzzentrum Maschinelles Lernen Rhein-Ruhr, das die Universitäten Dortmund und Bonn gemeinsam mit zwei Fraunhofer-Instituten (IAIS, Sankt Augustin und IML, Dortmund) betreiben. Neben Grundlagenforschung und Praxistransfer liegt der Pionierin des maschinellen Lernens vor allem die Nachwuchsförderung am Herzen. Großes Potenzial sieht die Dortmunder Professorin zum Beispiel für junge Frauen: „Derzeit liegt der Anteil weiblicher KI-Fachkräfte bei nur 20 Prozent, was sehr schade ist.“ Ideal sei das Forschungsgebiet etwa für Frauen, denen eine bessere Zukunft für Mensch und Natur wichtig sei. Katharina Moriks Wunsch für die deutsche KI-Zukunft: dauerhaft geförderte, starke Kompetenzzentren mit Ausstrahlung in die Breite und lebhaftem Austausch, vor allem innerhalb Europas und mit Australien – „dort bevorzugt man unseren dritten Weg im Umgang mit Künstlicher Intelligenz.“
RHEIN / RUHR
DORTMUND KOORDINIERT KOMPETENZZENTREN
MIT KI GEGEN
HACKER
DRESDEN / LEIPZIG
„Die Aufbruchstimmung hierzulande in Sachen KI ist beeindruckend“, sagt Erhard Rahm, Informatik-Professor an der Universität Leipzig. Zusammen mit Kollegen hat er das Center for Scalable Analytics and Artificial
Intelligence (ScaDS.AI) Dresden / Leipzig gegründet. Dort geht es um die Entwicklung maschineller Lernverfahren zur Erschließung großer Datenbestände sowie um vertrauenswürdige KI-Methoden zur fairen und geschützten Nutzung sensibler Daten. Die praktische Anwendung werde von Anfang an miteinbezogen, berichtet Erhard Rahm, etwa mit Blick auf bessere Tumordiagnosen oder die Abwehr von Hackerangriffen. Eine neue Graduiertenschule mit Standorten in Leipzig und Dresden soll den in Wissenschaft und Praxis händeringend gesuchten Nachwuchs ausbilden und ein KI-Servicezentrum die Brücke zur Wirtschaft schlagen. „Die deutschen KI-Kompetenzzentren sind dringend benötigte Kristallisationskeime“, sagt Erhard Rahm und fügt hinzu: „Was wir jetzt brauchen, sind dauerhafte Fördermittel und die Einrichtung neuer KI-Professuren, damit Großes entstehen kann.“
ANWENDUNG
FÜR INDUSTRIE
UND MITTELSTAND
Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), 1988 in Kaiserslautern und Saarbrücken als öffentlich-private Einrichtung gegründet, führt Großunternehmen aus aller Welt, Mittelständler und Forschungseinrichtungen zusammen. Inzwischen beschäftigt das Zentrum mehr als tausend Mitarbeiter und entwickelt an fünf Standorten KI-Lösungen für verschiedene Branchen – von der Automobilindustrie über die Landwirtschaft und Schifffahrt bis zum Handel. „Viele Innovationen sind bei uns entstanden, zum Beispiel die Grundlagen für erste Versionen des weltweit genutzten Übersetzungsprogramms Google Translate“, sagt Wolfgang Wahlster, Informatikprofessor und Gründungsdirektor des DFKI. Die KI-Forschung habe hierzulande eine siebzigjährige Tradition und immer noch einen Vorsprung von zwei, drei Jahren vor anderen Ländern, wenn es um Anwendungen in der industriellen Produktion gehe. Wahlster: „Wer sich dafür interessiert – das Stichwort ist hier Industrie 4.0 –, ist in Deutschland sehr gut aufgehoben.“
DFKI,
DEUTSCHES FORSCHUNGSZENTRUM
FÜR KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
TÜBINGEN
Zwischen Stuttgart und Tübingen wächst mit dem „Cyber Valley“ ein großer KI-Forschungsverbund aus Wissenschaft und Forschung zusammen. Wichtige Impulse kommen von den Neurowissenschaften, die das neue Kompetenzzentrum „Tübinger AI Center“ mit der KI-Forschung verknüpfen wollen. „Es ist eine pulsierende Forschungsumgebung“, sagt Peter Dayan, der Anfang 2020 als erster Humboldt-Professor für Künstliche Intelligenz sein Direktorenamt am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik angetreten ist. Der theoretische Neurowissenschaftler untersucht, wie Menschen es fertigbringen, in einer unsicheren Welt gute Entscheidungen zu treffen und wie sich diese Prozesse auf künstliche Systeme übertragen lassen. Solche und andere Projekte der KI-Forschung würde die Philosophin Jessica Heesen vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften der Universität Tübingen gern von Anfang an durch ethische Reflexion begleitet sehen. Die Leiterin des Tübinger Forschungsschwerpunkts Medienethik und Informationstechnik plädiert für eine werteorientierte KI-Entwicklung, die über die Herkunft ihrer Daten wacht, die Zielsetzung von Algorithmen kommuniziert und die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Anwendungen im Blick hat. „Gelingen kann das durch integrierte Forschung, bei der Technik und Ethik auf Augenhöhe zusammenarbeiten.“
IM SCHWÄBISCHEN
CYBER-VALLEY
MÜNCHEN
„KI erkennt Krankheiten, die das menschliche Auge nicht sieht.“
Maschinen, die eigenständig gute Lösungen finden – diese Zielvorstellung eint die Forscher im KI-Kompetenzzentrum Munich Center for Machine Learning. Sie kommen aus den Fachgebieten Data Science, Informatik und Statistik und wollen neben der Grundlagenforschung auch die praktische Anwendung von KI voranbringen. So auch Daniel Rückert. Am Londoner Imperial College hat der deutsche Informatiker Algorithmen entwickelt, die bildgebende Verfahren in der Medizin entscheidend verbessern können. Mit seinen Rechenvorschriften lassen sich beispielsweise Tumore und andere Anomalien im Körpergewebe leichter entdecken und einem Krankheitsbild zuordnen. „Mit KI machen wir Dinge sichtbar, die das menschliche Auge nicht sieht “, sagt Daniel Rückert, der mit einer Humboldt-Professur für Künstliche Intelligenz ausgezeichnet wurde und derzeit mit der Technischen Universität München über seine Berufung verhandelt. Dass in München ein Hotspot für KI in der Medizin entstehen soll, sei ein starkes Argument für den Standort, sagt Rückert – und schwärmt von der Aussicht, künftig mithilfe der Daten aus bildgebenden Untersuchungen, Labortests und Genanalysen ein komplettes Patientenbild erstellen zu können.
MASCHINELLES LERNEN MACHT KI ZUM HELFER
AUSGESUCHTE
KI-STANDORTE
IN DEUTSCHLAND –
EIN ÜBERBLICK