Nr. 117/2025
Saqqez, Kurdistan, Iran, Oktober 2022: Menschen auf dem Weg zum Friedhof, um an Jina Mahsa Amini und ihr Schicksal zu erinnern. Für Forschende im Exil ist Wissenschafts freiheit die Grundlage, um neu anzufangen. Rana Alsalim, syrische Krebsforscherin „ WENN RÜCKKEHR KEINE OPTION IST Die Hoffnung, zurückkehren zu können, hat etwa Jeff Wilkesmann aus Venezuela aufgegeben. Für ihn und seine Familie sei die Gefahr schlicht zu groß. Als 2019 seine PSI-Förderung auslief, schrieb er unermüdlich Bewerbungen in Deutschland. Zunächst arbeitete er imWissenschaftsmanagement, fand dann 2024 eine feste Stelle als Professor an der Technischen Hoch- schule Deggendorf. Hier hat er die wissenschaftliche Leitung des Bioengineering Transformation Lab inne, seine Frau forscht imLabor nebenan. Auf seinemmit- unter zähenWeg habe ihmdie PSI sehr geholfen: „Als Fellow ist man Teil eines großen Netzwerks, kann jederzeit um Rat fragen.“ Auf ein dauerhaftes Leben in Deutschland stellt sich derzeit auch die afghanische Informatikerin Mursal Dawodi ein. In Kabul war sie Juniorprofes- sorin, spezialisiert auf KI-gestützte Übersetzungen der Sprachen Dari und Paschtu. Nach der Machtüber- nahme der Taliban endete ihre Karriere abrupt: Ihr Arbeitsvertrag wurde für ungültig erklärt, Frauen der Zutritt zur Universität verboten. Seit 2024 forscht sie an der Technischen Universität München – geför- dert durch die PSI. Ihr Projekt: mithilfe maschinel- len Lernens Hassrede und frauenfeindliche Inhalte in afghanischen Online-Texten erkennen. „Manche glauben, meine Forschung richte sich gegen die Kul- tur und Religionmeines Heimatlandes“, sagt Dawodi, die 2023 mit der Ehrenmedaille des renommierten „For Women in Science“-Preises für Forscherinnen imExil ausgezeichnet wurde. „Dabei will ich nur, dass Frauen im Netz sicher sind.“ BRÜCKE IN EIN NEUES LEBEN Den Neustart in Deutschland erlebten sie und ihre Familie als herausfordernd. „Wir waren psychisch stark belastet durch die Erlebnisse in Afghanistan und hatten viele Probleme mit der deutschen Büro- kratie“, so die Forscherin. „Zudem hatte ich den Eindruck, dass meine neuen Kolleg*innen mir sehr viel voraushaben. Das hat mich stark gestresst.“ Ein Grund dafür seien unterschiedliche Bildungshin- tergründe: Während Schulen und Hochschulen in Deutschland und Europa breites Allgemeinwissen lehren, würde afghanischen Mädchen meist nicht einmal rudimentäres Englisch beigebracht. Für mehr Bildungsgerechtigkeit engagiert sich Dawodi mit der von ihr gegründeten gemeinnützigen Organisation Femstech. Diese fördert die digitale › Foto: picture alliance / zumapress.com SCHWERPUNKT 10 JAHRE PHILIPP SCHWARTZ-INITIATIVE 17 HUMBOLDT KOSMOS 117/2025
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