Nr. 117/2025
man auf zwei gegensätzliche Reaktionen. Die einen sagen: „Das ist komplex – lasst uns Daten sammeln und Lösungen fin- den.“ Die anderen behaupten: „Das ist ganz einfach – wir sollten zu früheren Verhältnissen zurückkehren und nicht auf die Expert*innen hören.“ Letztere Hal- tung befeuert Angriffe auf Forschende, Gesundheitsfachleute, Sozial- und Geisteswissenschaftler*innen gleicher- maßen. Solche Attacken sind nicht nur politische, sondern auch emotionale Reaktionen. GRADMESSER EINER FREIEN GESELLSCHAFT I N T E R V I E W Stiftungspräsident Robert Schlögl und Robert Quinn, Executive Director des Scholars at Risk Network, im Gespräch zur globalen Repression von Forschenden und zum zehnjährigen Jubiläum der Philipp Schwartz-Initiative. Herr Quinn, aktuelle Reports wie Free to Think und der Academic Freedom Index deuten auf einen Rückgang der Wissenschaftsfreiheit weltweit hin. Sehen wir hier einen globalen Trend? Robert Quinn: Ganz klar, ja. Die Daten beider Reports zeigen, dass der Druck auf Institutionen und Einzelpersonen steigt. In Zeiten politischer, sozialer und tech- nologischer Unsicherheit verstärken sich die schon lange bestehenden Spannungen zwischen Macht auf der einen und freier Forschung auf der anderen Seite. Und wir leben in Zeiten sich häufender Unsicher- heiten: Klimawandel, neue geopolitische Konflikte, Druck durch Migration, wirt- schaftliche Ungleichheiten, die Folgen der Pandemie und disruptive Technologien wie die KI. Diese Dynamiken verstärken den Impuls gewisser Akteure, den offe- nen Diskurs zu unterdrücken – beson- ders wenn es für die etablierten Macht- strukturen unbequem wird. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für diese Entwicklungen? Quinn: Die Ursprünge reichen Jahrzehnte zurück, aber mehrere aktu- elle Entwicklungen haben diesen Trend beschleunigt. Wann immer Gesellschaf- ten in eine Phase der Instabilität geraten, wächst die Spannung zwischen Univer- sitäten und dem Staat. In der heutigen Zeit sich häufender Unsicherheiten trifft Bedrohungen verbreiten sich schneller. Forschende überall spüren die Verletzlichkeit der Wissenschaftsfreiheit unmittelbarer. Robert Schlögl, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung „ › Fotos: Humboldt-Stiftung /David Ausserhofer, Fred Siegel SCHWERPUNKT 10 JAHRE PHILIPP SCHWARTZ-INITIATIVE 21 HUMBOLDT KOSMOS 117/2025
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