Nr. 117/2025
nen Datenerhebung undMethodik auch ad hoc ange- passt werden, wo nötig. „Früher ging man davon aus, dass Tiergruppen homogen sind und alle Mitglieder gleichberechtigte Beziehungen führen“, sagt Crofoot. Das sei heute über- holt. „In den Tiergesellschaften, die wir untersuchen, haben die einzelnen Individuen unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten sowie unterschiedlich viel Einfluss undMacht, sodass Asymmetrien entste- hen.“ Sie will herausfinden, wie soziale Beziehungen beschaffen sein müssen, damit die Tiere innerhalb einer Gruppe erfolgreich zusammenarbeiten. Wie Entscheidungen getroffen werden, sei dafür ein zen- traler Schlüssel, sagt sie. „Bei all dem geht es natürlich auch darum zu ver- stehen, wie der Mensch zu so einem außergewöhn lichen Affen geworden ist“, sagt Crofoot undmuss O ft ist es noch dunkel, wenn Meg Crofoot morgens loszieht. „In Panama fängt mein Tag meist schon um vier Uhr mor- gens an“, erzählt die US-amerikanische Verhaltensforscherin. In ihren Rucksack packt sie ihre Ausrüstung, Wasser und Brotzeit. Dann geht es los. Zu Fuß durch den dichten Dschungel – auf der Suche nach der Affengruppe, die sie gerade erforscht. In Panama sind das Kapuziner- oder Klammeraffen, also exzellente Kletterer, die sich fast ausschließlich im Kronendach bewegen. „Wenn wir sie gefunden haben, rennenmein Team und ich im Prinzip den ganzen Tag hinter den Affen her“, sagt Crofoot und lacht. Das Gelände ist hügelig, die Luft tropisch, feucht und warm. „Das ist physisch anstrengend, man schwitzt, man ist voller Zecken, aber es macht wirklich viel Spaß.“ Die beiden Affen- arten seien sehr sozial, mit viel Interaktion in der Gruppe. „Fast wie eine Seifenoper, bei der man live zugucken kann“, sagt sie. „Machtkämpfe, Eifersucht, Wutanfälle, Streiche: Es ist alles dabei.“ Was Crofoot aber eigentlich interessiert, sind die Entscheidungen, die die Affengruppe gemeinsam trifft – und wie sie zustande kommen. Meg Crofoot ist seit 2019 Alexander von Hum- boldt-Professorin und leitet die Abteilung für Öko- logie der Tiergesellschaften am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz. Die Professur ist der höchstdotierte internationale Forschungspreis Deutschlands und holt Spitzenforscher*innen aus aller Welt an deutsche Universitäten. „In Konstanz erforschen wir Tiergesellschaften, also Gruppen von Säugetieren, für deren Mitglieder die Gruppenzuge- hörigkeit eine lebenswichtige Rolle spielt”, erklärt Crofoot. Also keine Fisch- oder Vogelschwärme, wie sie bislang oft im Fokus von kollektiver Verhaltens- biologie standen. ANALYSE IN ECHTZEIT Ihre Daten sammeln die Konstanzer Forscher*innen auf ihren Exkursionen im Feld – und übertragen sie direkt in die Datenbank Movebank, auf die auch die Teammitglieder am Institut zugreifen können. Dort werden Bewegungsmuster und das Verhalten der Tiere quasi in Echtzeit analysiert und die Ergebnisse mit den Forschenden imFeld rückgekoppelt. So kön- MEG CROFOOT ist Direktorin der Abteilung für Ökologie der Tiergesellschaften am Max- Planck-Institut für Verhaltensbiologie und Alex- ander von Humboldt-Professorin an der Univer- sität Konstanz. Die Verhaltensökologin und evolutionäre Anthropologin wurde 2022 mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet. Es geht darum zu verstehen, wie der Mensch zu so einem außergewöhnlichen Affen geworden ist. „ › Fotos: Christian Ziegler /Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie FORSCHUNG HAUTNAH 31 HUMBOLDT KOSMOS 117/2025
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