Nr. 117/2025

erneut lachen. „Denn genau das sind wir ja: äußerst außergewöhnliche Affen.“ Dahinter stehe auch eine philosophische Frage: Wer sind wir als Spezies? „In unserer Forschung versuchen wir dieser Frage nun mit moderner Technologie nachzugehen“, sagt die 45-Jährige. „Ich habemich einfach immer schon sehr dafür interessiert, was Individuen alles leisten kön- nen, wenn sie sich zu Gruppen zusammentun.“ Mit ihrem Beruf hat sich Crofoot einen Kindheits- traum erfüllt. Aufgewachsen ist sie im US-Bundes- staat Maine, an der Grenze zu Kanada. „Meine Eltern wollten nicht, dass ich Privatfernsehen schaue, und deswegen habe ich wahrscheinlich als Kind zu viele Tier-Dokus geguckt“, sagt sie. Als Teenagerin rückte der Wunsch, Tierforscherin zu werden, erstmal in den Hintergrund. „Als Studienanfängerin wollte ich für USAID arbeiten“, sagt sie. Also in der Entwicklungs- hilfe: Gutes tun, reisen, Sprachen lernen. Sie schrieb sich in Stanford ein und studierte Humanbiologie. „Angesichts der aktuellen Lage in der Welt bin ich aber ziemlich froh, dass es doch nicht die Entwick- lungshilfe geworden ist, sonst wäre ich jetzt vermut- lich arbeitslos“, fügt sie hinzu. 2025 wurde USAID von der US-Regierung unter Präsident Trump abgewickelt. Dass ihr Kindheitstraum Tierforscherin für sie ein realer Beruf sein könnte, begriff Crofoot erst im Studium. Nach einem Bachelor-Abschluss in Ver- haltensbiologie in Stanford wechselte sie 2001 nach Harvard und machte dort einen Master in Anthro- pologie. Für ihre Doktorarbeit untersuchte sie das Konkurrenzverhalten von Weißgesicht-Kapuziner- affen in Panama. „ImFeld waren die rivalisierenden Kapuzineraffengruppen ständig in aggressive Aus- einandersetzungen verwickelt und lebten aber den- noch friedlich neben kleineren Gruppen, als ob es ein unausgesprochenes Kräftegleichgewicht gäbe“, erzählt Crofoot. „Ich wollte verstehen, wie das sein kann, wo doch eine Gruppe eindeutig in der Über- zahl war. Warum griffen sie nicht an?“ DIE MEHRHEIT ENTSCHEIDET Da sichHerdenverhaltenmit bloßemAuge nur schwer erfassen lässt, begann sie, Bewegungsdatenmithilfe von Fernerkundungstechnologie zu erheben, also Vorläufern von GPS-Trackern. „Das hat uns kom- plett neue Erkenntnisse gebracht“, sagt Crofoot. Etwa, dass die kleinere Gruppe einen starken Heimvorteil hat: Selbst in Unterzahl setzen die Tiere alles daran, ihr Revier vor der größeren Gruppe zu verteidigen. „Niemand läuft weg oder schummelt.“ Dagegen sei die Rate der Deserteure bei der größeren Gruppe, die sich außerhalb ihres Territoriums bewegt, viel höher. So entstehe am Ende ein Kräftegleichgewicht. Die Doktorarbeit war das erste Projekt, in dem sie teilnehmende Beobachtung mit Datentechnologie kombinierte – eine Pionierleistung in ihrem Fach. „Diese neuen Technologien waren für uns wie das Mikroskop für die Mikrobiologie“, sagt Crofoot. „Sie Mithilfe von Funktelemetrie sucht Meg Crofoot im dichten Regenwald Panamas nach Tieren, die mit Ortungshalsbändern ausgestattet sind. FORSCHUNG HAUTNAH 32

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