Nr. 113/2021

M ittlerweile ist meine Promotion mit dem Titel „Moving Memories“ seit fast zwei Jah- ren abgeschlossen. „Unser letzter Sommer“ heißt einer der Filme, die ich dafür analysiert habe. Tatsächlich habe ich für die Arbeit ganze Sommer in der Bibliothek verbracht. Thema war die Darstellung von Deutschen und Pol*innen in Filmen beider Länder über das dunkelste Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte: den Zweiten Weltkrieg und die Besetzung Polens durch die Deutschen. Ich habe das Thema auch aus persönlichen Gründen gewählt. Mein Vater ist Deutscher, meine Mutter stammt aus Polen. Wie so viele verließ sie das Land 1982, nachdem LechWałęsa interniert und das Kriegsrecht verhängt wor- den war. Meine Mutter hat mir nie viel über Polen erzählt. Sie wollte diesen Teil ihrer Geschichte hinter sich lassen und bloß nicht als Polin wahrgenommen werden. Und schon gar nicht wollte sie das für mich. Irgendwann habe ich mich selbst für den polnischen Teil meiner Familie und meiner Identität interessiert. So habe ich erfahren, dass Foto: Humboldt-Stiftung/Michael Jordan mein Großvater im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbei- ter in Hanau war. Meine Großmutter dagegen stammte aus einer Familie russischstämmiger Altgläubiger, die im 19. Jahrhundert in Masuren eine neue Heimat gefun- den hatte. Ich habe dann in Kraków studiert und auf den Spuren meiner Familie Polen bereist und ein sehr buntes und diverses Land kennengelernt: Jarocin, Poznań und Wojnowo, das Heimatdorf meiner Großmutter. In der Stiftung bin ich für unser Netzwerk in Mit- tel- und Osteuropa zuständig. Im September gibt es ein virtuelles Humboldt-Kolloquium mit polnischen Humboldtianer*innenund anderenWissenschaftler*innen, das Teil des 30. Jubiläums des deutsch-polnischenNachbar- schaftsvertrags ist und die Situation junger Forscher*innen in Polen in den Blick nimmt. Bei solchen Treffen spüre ich immer wieder: ImHumboldt-Netzwerk schaffen die Werte der Wissenschaft eine Verbindung jenseits der Idee des homogenen Nationalstaats. So können wir zuversichtlich in eine gemeinsame Zukunft schauen. Aufgezeichnet von MAREIKE ILSEMANN Wer macht eigentlich was in der Stiftung und sorgt hinter den Kulissen dafür, dass alles läuft? Auf dieser Seite stellen wir einmal nicht Humboldtianer*innen, sondern Kolleg*innen vor, ihre Aufgaben und Erfahrungen und was sie tun, wenn sie gerade nicht arbeiten. DIESMAL: REBECCA GROSSMANN. VIEL MEHR ALS NUR NACHBAR*INNEN 34 HUMBOLDT KOSMOS 113/2021 GESICHTER AUS DER STIFTUNG

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