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Wissenschaftsfreiheit: Expert*innen berichten von Repressionen in Belarus

Belarus auch Thema beim Philipp Schwartz Inspireurope Stakeholder Forum vom 26. bis 27. April

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Proteste in Belarus
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

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Auf dem Philipp Schwartz Inspireurope Stakeholder Forum vom 26. bis 27. April diskutieren Expert*innen Repressionen und Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit in verschiedenen Regionen der Welt, unter anderem in Belarus. Einen Einblick in die dramatische Lage gibt hier vorab Volker Weichsel, Redakteur der Zeitschrift „Osteuropa“ der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, die an der Konferenz beteiligt ist.

Humboldt-Stiftung: Seit der umstrittenen Wiederwahl von Alexander Lukaschenko im August letzten Jahres gehen weißrussische Behörden gegen die Protestbewegung der Zivilgesellschaft vor. Welche Rolle spielen Akademiker*innen und Wissenschaftler*innen in der Protestbewegung?
Volker Weichsel: Sie spielen eine große Rolle. Und zwar Forschende aus allen Disziplinen – von der Mathematik und Biologie, über Geschichte und Wirtschaftswissenschaften, bis zur Linguistik und Ethnologie. Es beteiligten sich Studierende und Professor*innen - und natürlich der akademische Mittelbau. Das Regime ist gegen sie – wie gegen alle Teilnehmenden der Protestbewegung – mit äußerster Härte vorgegangen. Unter den über 30.000 Menschen, die im Herbst festgenommen, oft geprügelt, und für zwei Wochen in ein Gefängnis gesteckt wurden, waren Hunderte, wenn nicht Tausende Akademiker*innen. Viele Dutzend Hochschullehrer*innen wurden aus eindeutig politischen Gründen entlassen, Studierende relegiert. Das schlimmste ist, dass auch Strafverfahren wegen der Beteiligung an den friedlichen Protesten eröffnet wurden. Die dem Regime unterworfenen Gerichte werten die Protestmärsche als „Massenunruhen“ und verurteilen immer mehr Menschen zu langjährigen Haftstrafen.

Die Förderanträge, die bei der Philipp Schwartz-Initiative eingehen, zeigen, wie es in bestimmten Ländern und Regionen um die Wissenschaftsfreiheit bestellt ist. Werden in naher Zukunft belarussische Forscher*innen im Ausland Schutz suchen müssen?
Sie tun es bereits heute! Die Philosophin Olga Shparaga ist nur eine von vielen. Die Repressionen sind äußerst scharf. Dutzende Wissenschaftler*innen haben ihre Anstellung verloren. Sehr viele haben auch das Land verlassen, weil die Wissenschaftsfreiheit nicht nur „bedroht“ ist, es gibt sie nicht mehr. Insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften bringt jede noch so kleine Abweichung von der Staatsideologie Wissenschaftler*innen in Gefahr. Unter denen, die dennoch an ihren Hochschulen geblieben sind, herrscht eine Atmosphäre des Schweigens und der Angst. Jene, die gegangen sind oder entlassen wurden, befinden sich in großer wirtschaftlicher Not, ihre Forschungsarbeit ist gefährdet.

In welcher Weise versucht die Regierung Einfluss zu nehmen?
Schaltstellen des Regimes sind die Rektorate. Diese erhalten Anweisungen aus dem Bildungsministerium. Dieses arbeitet eng mit der Staatssicherheit, dem KGB, zusammen. Die Methode ist einfach: Abschreckung. Nach all den Verhaftungen und Entlassungen wissen alle Wissenschaftler*innen in Belarus, was ihnen droht, wenn sie nicht tun, was das Regime verlangt. Damit die Abschreckung wirkt, hat das Regime an jeder Universität, an jeder Fakultät, an jedem Institut, Mitarbeiter der Staatssicherheit platziert.

Warum ist Ihnen die Situation in Belarus so wichtig?
Die Freiheit von Lehre und Forschung ist überall auf der Welt von höchster Bedeutung. Nirgends in Europa ist freies Forschen und Lehren so unmöglich gemacht worden wie in Belarus. Und da die Freiheit von Lehre und Forschung unteilbar ist, hat Belarus Signalwirkung für ganz Europa. Am Einsatz für die dortigen Wissenschaftler*innen zeigt sich, wie ernst es uns als Gesellschaft mit diesen Prinzipien ist.

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