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Ryan Sweke ist Inhaber eines „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Südafrika
„Zu erleben, wie Studierende zu eigenständigen, erfolgreichen Wissenschaftler*innen heranreifen, ist für mich sehr viel zufriedenstellender als Papers in prestigeträchtigen Zeitschriften zu veröffentlichen.“
„Tatsächlich war es bei meinem ersten AIMS-Besuch, dass ich auch mit Quantencomputing in Berührung kam. Das war 2011, als dort ein entsprechender Workshop stattfand. Seitdem habe ich meine Karriere auf diesem Gebiet weiterverfolgt und stets den Wunsch gehegt, eines Tages ans AIMS zurückzukehren“, erzählt Ryan Sweke vor Antritt seines neuen Amtes am Bildschirm im fernen Kalifornien. Nach zwei Jahren Grundlagenforschung in der Theorie-Gruppe von IBM Quantum wechselt der gebürtige Südafrikaner als Inhaber des Deutschen Lehrstuhls ans African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) Südafrika. Und das aus voller Überzeugung: „Das AIMS Südafrika ist ein ganz besonderer Ort. Du betrittst das Gebäude und spürst sofort, alles lebt und atmet hier Mathematik. Es ist nicht leicht, am AIMS angenommen zu werden, alle sind hochmotiviert.“
Ryan Sweke gehört zu den führenden Persönlichkeiten auf dem noch jungen Gebiet des Quanten-Maschinellen Lernens (QML), einem Unterbereich des Quantencomputings. 2016 promovierte er in Physik an der University of KwaZulu-Natal (Südafrika). Der Fokus seiner Arbeit lag auf der Entwicklung von Quantenalgorithmen für die Simulation von Quantensystemen. Nach der Promotion ging Ryan Sweke mit einem Humboldt-Forschungsstipendium an das Dahlem Centre for Complex Quantum Systems der Freien Universität Berlin, wo er fünf Jahre lang lehrte und forschte.
Sweke entwickelt und analysiert unter anderem Algorithmen für QML. Eine Arbeit an der Schnittstelle zwischen Quantencomputing und herkömmlichem maschinellen Lernen. Seine Forschung ist sehr aktuell, da in den letzten Jahren enorme Fortschritte in der Quanteninformatik erzielt wurden. Seit dem Bau der ersten isolierten Prototypen echter Quantencomputer Ende der 1990er Jahre – die zunächst zur Simulation von quantenphysikalischen Zuständen eingesetzt wurden – haben Unternehmen wie IBM, Google und IonQ Plattformen für das Quantencomputing entwickelt, auf die man zum Teil sogar remote zugreifen kann.
Auch wenn sich Quantencomputer noch in der Entwicklungsphase befinden, haben sie eine vielversprechende Zukunft. Bald könnten große, fehlerresistente Quantencomputer bestimmte Probleme schneller lösen als herkömmliche Computer. Die Vorteile ergeben sich aus den besonderen Methoden, mit denen Quantenalgorithmen die Eigenschaften der Quantenwelt ausnutzen. Eine dieser Eigenschaften ist die Quantenverschränkung, bei der Quantenteilchen zueinander in einer Beziehung stehen, wie es bei klassischen Teilchen nicht der Fall ist.
Doch haben Quantencomputer auch Vorteile für Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, wie bei der Bild- und Mustererkennung? Und wie können QML-Algorithmen die reichhaltigen Eigenschaften der Quantenwelt sinnvoll nutzen? Um diese Fragen zu beantworten, ist noch sehr viel mehr Forschung nötig. Sweke reizt das sehr: „Ich denke gerne über Algorithmen nach, sie haben eine ganz eigene Ästhetik“, sagt er.
Bei IBM Research in Kalifornien hatte er wunderbare Kollegen und fast völlige Freiheit bei der Wahl seiner Forschungsfragen. „Jetzt möchte ich mich einer neuen Herausforderung stellen“, sagt er. „Ich hatte das Glück, in meiner Laufbahn wunderbare Mentoren zu haben und es ist aufregend, die Mentorenrolle nun selbst einzunehmen.“ Einer dieser Mentoren war Jens Eisert an der FU Berlin, mit dem Sweke auch als AIMS-Lehrstuhlinhaber kooperieren wird. „Ich freue mich sehr darauf zu unterrichten und mit den Studierenden zu arbeiten. Quanten-Maschinelles Lernen ist ein breites, interdisziplinäres Gebiet mit vielen faszinierenden mathematischen Fragestellungen. Und am Ende bin ich sicher: zu erleben, wie Studierende zu eigenständigen Wissenschaftler*innen heranreifen, ist für mich sehr viel zufriedenstellender, als weitere Papers in prestigeträchtigen Zeitschriften zu veröffentlichen.“
Mouhamadou Sy ist Inhaber eines „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Senegal
"Ich habe immer vorgehabt, in einem afrikanischen Land zu arbeiten. Dabei verfolge ich zwei Ziele: meine mathematische Forschung voranzutreiben und mich dafür einzusetzen, dass sich die Mathematik in Afrika weiterentwickelt."
Wer Mouhamadou Sy zuhört, spürt schon nach einigen Sätzen seine Leidenschaft für theoretische Fragestellungen der Mathematik. Der Experte für stochastische Analysis und nichtlineare partielle Differentialgleichungen wurde im Süden von Mauretanien, einem Staat an der nordwestlichen Atlantikküste Afrikas, geboren. In seiner Grundschulzeit gab es in dem kleinen Dorf am Fluss Senegal kein Schulgebäude oder Klassenräume. Oft fand der Unterricht unter einem großen Baum statt.
„In der traditionellen Schule wurde uns viel über die Welt in Form von Rätseln beigebracht. Der Lehrer stellte eine Rätselfrage und dann fingen wir an zu knobeln. Die „devinette“, das Rätsel als Lehrform stellt eigentlich eine hervorragende Heranführung an mathematisches Denken dar“, erinnert sich Sy.
Erst in der weiterführenden Schule, weit weg in der Stadt, hat Mouhamadou Sy zum ersten Mal in einer Schulbank gesessen. Der begabte Junge interessierte sich auch für Literatur und Theater, aber er wusste schon mit 13 oder 14 Jahren, dass er Mathematiker werden wollte. „Mit mathematischen Funktionen kann theoretisch jedes natürliche Phänomen in der Welt beschrieben und manchmal sogar in bestimmten Eigenschaften vorausgesagt werden, selbst wenn diese so noch nie beobachtet worden sind“, schwärmt Sy über sein Fach.
Sy ging für das Studium der Mathematik nach Frankreich an die Université de Cergy-Pointoise und erhielt dort nach seiner herausragenden Masterarbeit ein Promotionsstipendium und wurde 2017 für eine Arbeit zur Hamiltonschen partiellen Differentialgleichung promoviert. Seine weitere Karriere führte ihn zunächst an die University of Virginia, woraufhin er am Imperial College London als assoziierter Forscher in der Gruppe von Fields-Medaillen-Träger Martin Hairer tätig wurde. Nach einer Station an der Johns Hopkins University, Baltimore, USA, 2022, wechselt er nun als Inhaber des Deutschen Forschungslehrstuhls ans AIMS Senegal.
Die Rätsel, mit denen sich Sy heute beschäftigt, halten die besten Mathematiker*innen weltweit auf Trab. Zum Beispiel die Frage nach der Regularität bestimmter Teillösungen der Navier-Stokes-Gleichungen. Das Clay Mathematics Institute hat sie auf die berühmte Liste der sieben ungelösten Millennium-Probleme gesetzt. „Wer sie löst, erhält eine Millionen US-Dollar“, lacht Sy.
Navier-Stokes-Gleichungen spielen überall dort eine Rolle, wo es um Strömungen geht. „Im Kampf gegen den Klimawandel sind Navier Stokes Gleichungen unverzichtbar, weil sie mathematische Modelle liefern, mit denen atmosphärische und ozeanischen Phänomene erklärt, und Klimavorhersagen verbessert werden können“, führt Sy zur Anwendung aus.
Sy ist außerdem Spezialist für die nichtlineare Schrödingergleichung (NLS), eine Funktion aus der nichtlinearen Optik, mit der die wellenartige Verbreitung von Lichtteilchen in Glasfaserkabeln zu Informationsübertragung erfasst und verstanden werden kann. Ohne diese Technik wäre die blitzschnelle Telekommunikation über weite Distanzen und in Computer-Netzwerken nicht denkbar. Sy spricht von einem weiteren „enjeu“, wenn er so verständlich wie möglich über NLS und ihre Bedeutung für die Wirklichkeit spricht. „Enjeu“ kann hier wahlweise als weiteres „Thema“ oder „Herausforderung“ übersetzt werden.
Die Studierenden am AIMS Senegal jedenfalls werden einen begabten Wissensvermittler erleben. Sy liegt es nicht nur aufgrund der eigenen Lebensgeschichte am Herzen, junge Nachwuchstalente aus Afrika zu fördern. Aus diesem Grund hat er selbst Mathematik-Lehrbücher unter Anderem in seiner Muttersprache Pulaar verfasst. „Leider ist es immer noch so, dass in vielen afrikanischen Ländern wie Mauretanien oder dem Senegal in der Schule auf Französisch oder Englisch, nicht aber in den Muttersprachen der Kinder unterrichtet wird. Ich habe in der Schule nie Unterricht in meiner Muttersprache gehabt“, beschreibt Sy das Bildungssystem. Folglich würden auch die Naturwissenschaften in einer Fremdsprache unterrichtet. Die fremde Sprache aber stelle oft ein Hindernis dar. Wer in Sprachen nicht gut sei, habe auch keine Chance, Mathe oder Biologie zu lernen. Auch wer aus sozialen Gründen keine höhere Bildung erhielt, könne so nicht mit wissenschaftlichem Denken und Wissen in Berührung kommen.
„Ich wollte dafür sorgen, dass mathematisches Grundwissen in so vielen afrikanischen Sprachen wie möglich zur Verfügung steht. Kinder, aber auch Erwachsene, haben ein Recht darauf, denn sie wachsen in einer Welt auf, in der Wissenschaft eine große Rolle spielt. Es müssen mehr Menschen in Afrika Zugang zu wissenschaftlicher Bildung bekommen. Wenn der nächste Einstein aus Afrika kommen soll, dann müssen wir alle Menschen einschließen“, so Sys Überzeugung.
Das AIMS in Senegal könnte dafür genau der richtige Ort sein. Denn für Sy stellt der Senegal ein geschichtsträchtiges Land von großer kultureller Bedeutung dar, das weit über seine Grenzen hinaus positive Energie ausstrahlt.
„Ich hatte immer schon, auch während meiner Studienzeit in Frankreich, vorgehabt, später in einem afrikanischen Land zu arbeiten. Dabei verfolge ich zwei Ziele: meine mathematische Forschung voranzutreiben und mich dafür einzusetzen, dass sich die Mathematik in Afrika weiterentwickelt.“
Dabei wird Sy auch mit der Bielefelder Expertin für Navier-Stokes-Gleichungen Martina Hofmanova kooperieren. Und auch, wenn man von stochastischer Analysis nichts versteht, erscheint die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sy früher oder später Schlagzeilen machen wird. Nicht ausgeschlossen, dass es dabei um die Lösung eines der sieben Millennium-Probleme geht.
Nicholas Monk ist Inhaber eines „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Ghana
„Das Bewusstsein für die Bedeutung mathematischer Modelle zu schaffen, ist ein wichtiger Schritt, um auf die Bedarfe in afrikanischen Ländern zu reagieren.“
Neue Erkenntnisse entstehen oft zwischen den Disziplinen. Die Forschungs- und Lehrtätigkeit des Briten Nick Monk lässt sich am besten unter dem Motto „Mathematics meets Biology“ zusammenfassen. Seit seiner Promotion in Theoretischer Physik hat der studierte Mathematiker Monk an der Schnittstelle zwischen der Mathematik und den Lebenswissenschaften gearbeitet. „Mathematische Modelle bilden komplexe biologische Prozesse ab, zeigen die Logik auf, der sie unterliegen und ermöglichen ein tieferes Verständnis dieser Prozesse. Gleichzeitig haben fundamentale Fragestellungen zu Begriffen wie „kollektives Verhalten“ oder „Entscheidungsfindung“ in der Evolutionsforschung die Ausrichtung mathematischer Forschung beeinflusst“, berichtet Monk. „Die Disziplinen erhellen sich gegenseitig, das volle Potenzial dieser Schnittstelle tritt erst im Dialog von gut ausgebildeten Forschenden auf beiden Seiten zutage“.
Im Laufe seiner Karriere hat der Mathematiker den Bedeutungszuwachs und Entwicklungen der Disziplinen „mathematische Biologie“ und „Computerbiologie“ miterlebt und begleitet. So hat der bisherige Leiter der School of Mathematics and Statistics an der University of Sheffield in den letzten 25 Jahren innerhalb und außerhalb des Vereinigten Königreichs zahlreiche Forschungsprogramme, Summer Schools, Konferenzen und Workshops auf die Beine gestellt, um weltweit eine Fachgemeinschaft in der mathematischen Biologie und Computerbiologie aufzubauen. Auch zum AIMS Ghana pflegt er langjährige Verbindungen und hat dort mehrere Kurse in mathematischer Biologie geleitet. Vor allem in seiner Funktion als Lehrer und Mentor ist es Monk besonders wichtig, Nachwuchsforschenden die Bedeutung von mathematischen Modellen für die Lebenswissenschaften deutlich zu machen und ihre Kompetenzen im Modellieren auszubauen. Dieses Ziel wird er am AIMS in Ghana nun auch als Lehrstuhlinhaber für den afrikanischen Kontinent weiter vorfolgen. „Das Bewusstsein für die Bedeutung mathematischer Modelle zu schaffen, ist ein wichtiger Schritt, um auf die Bedarfe in afrikanischen Ländern zu reagieren“, sagt Monk. Dem mathematischen Nachwuchs kommt in Ghana und anderen afrikanischen Ländern eine so wichtige Rolle zu, indem er Herausforderungen wie den Kampf gegen den Klimawandel und gegen Infektionskrankheiten annimmt und damit die Wissenschaft und das Wohl der Bevölkerung voranbringen und stärken wird. „Das Verständnis für die Mechanismen hinter der Entwicklung und dem Wachstum von Pflanzen unterstützt Forschung, die darauf abzielt, Getreidearten widerstandsfähiger und ertragreicher zu machen. Welche Veränderungen im Genotyp bestimmte Veränderungen im Phänotypen erzeugen; wie die Veränderungen des genetischen Netzwerks mit äußeren Erscheinungsformen und Eigenschaften zusammenhängt, das kann in mathematischen Modellen sichtbar gemacht werden“, erklärt Monk.
In der Ausbildung von Nachwuchsforschenden in Mathematik geht es Monk auch darum, Mädchen und Frauen für Mathematik zu begeistern und grundsätzlich von Beginn an „Mathe-Angst“ zu begegnen. Sein Ziel ist es, entscheidend zum Ausbau des mathematischen Fachwissens auf dem Gebiet des Modellierens gerade für die Lebenswissenschaften beizutragen. Dafür will Monk mit im Anwendungsbereich forschenden Mathematikern und Biologen in Ghana sowie mit Kolleg*innen in Deutschland zusammenarbeiten. Zum Beispiel sind vor Ort Kooperationen mit. Dr. Emmanuel S. Adabor vom Ghana Institute of Management and Public Administration sowie mit Forschenden des CSIR Crops Research Institute und Plant Genetic Resources Research Institute geplant.
Abebe Geletu ist Inhaber eines „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Ruanda
„Die Optimierung von Systemen wird einen entscheidenden Beitrag zur Modernisierung und Technologisierung Afrikas leisten.“
„Ich habe es mit eigenen Augen zum Beispiel in meinem Geburtsland Äthiopien gesehen. Immer wieder verkommen auf dem afrikanischen Kontinent Lebensmittel aus der Landwirtschaft noch auf dem Markt. Gleichzeitig herrscht woanders Mangel. Es fehlt an Produktionssteuerung, zentralen Lagern und Lieferketten. Vor allem die ländliche Bevölkerung ist davon betroffen; das ist gerade angesichts von Dürre und Klimawandel eine Katastrophe. Die Verteilung von landwirtschaftlichen Produkten kann durch angewandte Mathematik optimiert werden. Das ist aber nur ein Teilbereich, den ich durch meine Arbeit modernisieren möchte“, sagt Abebe Geletu.
Seit Beginn seiner Promotion auf dem Gebiet der Optimierung an der Technischen Universität Ilmenau, Deutschland, 1999, hat Abebe Geletu seine Expertise in diesem Teilgebiet der angewandten Mathematik immer weiter ausgebaut und hat an diversen Projekten der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Optimierung und dem Betrieb komplexer Systeme mithilfestochastischer Programmierung federführend mitgewirkt. 2018 hat sich der Experte am Institut für Automatisierungs- und Systemtechnik an der TU Ilmenau habilitiert.
Am AIMS Ruanda möchte er den mathematischen Nachwuchs mit den Anwendungsmöglichkeiten der Mathematik zur Lösung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen vertraut machen. Dabei wird er neben Lehre und Forschung auch in interdisziplinären Teams von Ingenieuren, Informatikern und Hydrologen oder Energieexperten seine Expertise in die praktische Anwendung bringen. „Zu den Bereichen, in denen Optimierung zur Modernisierung und zum Kampf gegen Armut und Hunger beitragen wird, gehören auch das Wassermanagement sowie die Energieversorgung, gerade in Inselnetzen in ländlichen Räumen“, so Geletu.
Abebe Geletu ist Gastprofessor an der Haramaya Universität, Äthiopien, sowie an der Addis Abeba Universität, Äthiopien. Verbindungen, die er für Forschungskooperationen nutzen will. Eine besondere Rolle werden in der Forschungskooperation Partner an der TU einnehmen. Insbesondere in Bezug auf das Themenfeld Wassermanagement wird Geletu mit dem Technion Israel Institute of Technology kooperieren.
Jan Hązła ist Inhaber eines „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS RUANDA
„Für mich geht es darum, junge afrikanische Mathematiker*innen auf dem Teilgebiet der Diskreten Mathematik international sichtbarer zu machen.“
Der Informatiker Jan Hązła hat bereits nach Abschluss seiner Promotion an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich 2016 am AIMS Ruanda Programmieren unterrichtet. Aus dieser Zeit weiß er, wie groß das Potential und Interesse vieler afrikanischer Studierender an Theoretischer Informatik und Diskreter Mathematik ist. Teilgebiete, die bisher in der Ausbildung von Mathematiker*innen auf dem afrikanischen Kontinent keine so große Rolle gespielt haben.
„Es ist meine Traumvorstellung, exzellente Doktoranden und Studierende so zu betreuen und zu fördern, dass die Ergebnisse der Zusammenarbeit in renommierten internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht werden können“, sagt Hązła über seine Pläne als Lehrstuhlinhaber mit dem Fokus auf Theoretische Informatik. Für Hązła liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit in der persönlichen Betreuung talentierter Nachwuchsmathematiker*innen am AIMS Ruanda. „Ich habe gute Verbindungen zu florierenden Arbeitsgruppen in Deutschland, den USA und der Schweiz und werde alles daran legen, Verbindungen zwischen meinen Studierenden am AIMS und internationalen Kolleg*innen zu knüpfen“, erklärt Hązła. Ein Fokus seiner Arbeit liegt auf der Zusammenarbeit mit der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, Deutschland.
Das eigene Forschungsinteresse des aus Polen stammenden Informatikers gilt u.a. der Wahrscheinlichkeits- und Kodierungstheorie. In der Anwendung forscht er an der Schnittstelle zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemstellungen, etwa an der Frage, ob Meinungsbildung durch Computermodelle effizient simuliert werden kann.
Jan Hązła hat in Krakau, Polen, Informatik studiert. Nach seiner Promotion an der ETH Zürich und den Lehrerfahrungen am AIMS Ruanda in Kigali war er Postdoc am Institute for Data, Systems und Society am Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA. Zuletzt forschte und lehrte er als Postdoc an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), Schweiz.
Bubacarr Bah ist Inhaber eines „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Südafrika
„Künstliche Intelligenz wird für den Afrikanischen Kontinent von großer Bedeutung sein.“
Seine Arbeitsgebiete befassen sich mit den wichtigsten Themen unserer Zeit: Big Data, maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz. „Diese Themen werden auch auf dem afrikanischen Kontinent immer bedeutender“, prognostiziert Bubacarr Bah. Mit seiner Arbeit will er dazu beitragen, dass Afrika den künftigen Herausforderungen in diesen Bereichen besser gewachsen ist. Seit 2016 hat der aus Gambia stammende Mathematiker den Deutschen Forschungslehrstuhl „Mathematik mit Spezialisierung Datenwissenschaften“ am African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) in Südafrika inne.
Wie konkret seine Arbeit schon heute Anwendung findet, zeigen zwei Beispiele: Er kooperiert mit einem Landwirtschaftsbetrieb, der Tausende Luftaufnahmen einer Orangenplantage gemacht hat, um daraus den Ernteertrag vorhersagen zu können. Bah und sein Team entwickeln die passenden Algorithmen, um die Aufnahmen auswerten zu können. Daneben kooperiert er mit medizinischen Forschungsinstituten und unterstützt diese dabei, Gesundheitsdaten, die auch in Afrika immer mehr gesammelt werden, auszuwerten und zu interpretieren. Dies kann bei der Bekämpfung von Krankheiten helfen.
Bah promovierte in Angewandter und rechnergestützter Mathematik an der Universität Edinburgh, Vereinigtes Königreich. Anschließend forschte er an renommierten Instituten der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), Schweiz, und der Universität Texas in Austin, USA. Nach Afrika zurückzukehren, sieht er als große Chance. „Am AIMS kann ich nicht nur meine eigene Forschung weiterentwickeln. Hier kann ich auch mathematischen Nachwuchs fördern und nationale und internationale Netzwerke aufbauen.“ Er ist sich sicher, dass talentierte Mathematikerinnen und Mathematiker gute Perspektiven auf dem afrikanischen Kontinent haben.
Mouhamed Moustapha Fall ist Inhaber des „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Senegal
„Die Mathematik birgt ein großes Optimierungspotential für die Menschen Afrikas.“
Seine Lehrer hätten ihn schon früh in der Kindheit für die Mathematik begeistert, sagt Moustapha Fall. Nachdem er 2009 an der renommierten International School for Advanced Studies in Trieste, Italien, promoviert wurde, forschte Fall unter anderem als Humboldt-Forschungsstipendiat an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. „Er hat überhaupt keine Angst vor komplizierten und technisch aufwändigen Fragestellungen“ und sehe methodische Verbindungslinien selbst zwischen sehr disparaten mathematischen Gebieten, lobt sein damaliger Gastgeber Professor Tobias Weth.
Seit 2013 hat Moustapha Fall den AIMS-Lehrstuhl in M’bour, Senegal, inne. Seine Arbeiten sind an der Schnittstelle von Analysis und Geometrie angesiedelt. Falls übergeordnetes Ziel ist es immer, die Menschen aus allen Bildungsschichten Afrikas, ob Hochschulabgänger oder Analphabeten, anhand praktischer Anwendungsbeispiele vom Optimierungspotenzial der Mathematik zu überzeugen. So versuchte er auch, das Problem der Fischer von M’bour zu lösen. Er stellte sich die Frage, woran es lag, dass sie mal sehr viel und mal kaum Fisch an Land brachten. Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam machte sich Fall daran, ein mathematisches Modell zu entwickeln. Dieses sollte präzise vorhersagen, wie viele Tiere die Fischer an welchen Orten fangen können, ohne den Beständen zu schaden. Mittlerweile gibt es eine App, die über die besten Fischplätze für nachhaltigen Fang informiert.
Olivier Menoukeu Pamen ist Inhaber des „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Ghana
„Es war die unschätzbare Gelegenheit, meinem Kontinent etwas zurückzugeben.“
„Die Möglichkeit, meinem Kontinent etwas zurückgeben zu können, ist von unschätzbarem Wert“, sagte Olivier Menoukeu Pamen, als er im Oktober 2016 den AIMS-Forschungslehrstuhl „Mathematik und seine Anwendungen“ in Ghana übernahm. Wie konkret Pamens Expertise in seinen Spezialgebieten Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik dem Kontinent zugutekommen kann, zeigt ein aktuelles Projekt des Mathematikers. Wie in vielen afrikanischen Ländern sind Mikrokredite auch in Ghana sehr populär. Pamens Recherche hat gezeigt, dass den Kreditgebern allerdings häufig die Erfahrung fehlt, Refinanzierungskosten, Ausfallwahrscheinlichkeiten und äußere Einflussfaktoren realistisch zu berechnen. Dadurch basieren Kreditvergaben und die veranschlagten Zinsen oft auf falschen Annahmen. Um die Geldgeber dabei zu unterstützen, ihre Berechnungen auf ein valides Fundament zu stellen, kooperiert Pamen seit 2019 mit einem Institut, das Mikrokredite in Ghana vergibt.
Bereits in seiner Doktorarbeit an der Universität Witwatersrand, Südafrika, hat sich Pamen mit Finanzmathematik beschäftigt. Anschließend verbrachte er mehrere Jahre in Europa. Nach einem Postdoc-Aufenthalt in Oslo übernahm er eine Festanstellung am Institut für Finanz- und Versicherungsmathematik an der Universität Liverpool, Vereinigtes Königreich. Am AIMS Ghana will er seine Erfahrung an Studentinnen und Studenten weitergeben und sein Wissen auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen in Afrika anwenden.
Gisèle Mophou ist Inhaberin des „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Kamerun
„Mathematik kann helfen, einige der größten Probleme unserer Zeit zu lösen.“
„Mathematik kann helfen, einige der größten Probleme unserer Zeit zu lösen“, beschreibt Gisèle Mophou ihre Begeisterung für ihr Fach. Ein Beispiel dafür liefert sie mit ihrer eigenen Arbeitsgruppe am AIMS Kamerun, wo sie von 2017 bis Ende 2019 den Lehrstuhl „Angewandte Mathematik mit Spezialisierung optimale Steuerung“ innehat. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschreiben Umweltverschmutzungen und Gesundheitsprobleme mit mathematischen Instrumenten. So entwickeln sie Modelle, die die Probleme greifbar machen und die Suche nach Lösungsansätzen ermöglichen.
Mophou promovierte in numerischer Mathematik und trat 2013 ihre Professur an der Université des Antilles et de la Guyane, Guadeloupe, an. „Ich habe nach neuen Herausforderungen gesucht“, sagt die aus Kamerun stammende Wissenschaftlerin zu ihrer Motivation, den Lehrstuhl am AIMS zu übernehmen. „Es war die Gelegenheit, meinem Heimatland etwas zurückzugeben.“ Besonders den weiblichen Forschungsnachwuchs förderte sie. „Ich habe Vorträge an Universitäten und in Schulen gehalten und meine eigene Geschichte erzählt, wie ich als Frau Professorin wurde.“ Sie wolle ein Umdenken anschieben und Vorbild sein. Damit in Zukunft mehr Mädchen und Frauen in Afrika den Mut haben und auch die Chance bekommen, in die Wissenschaft zu gehen.
Marc Sedjro ist Inhaber eines „Deutschen Forschungslehrstuhls“ am AIMS Südafrika
„An meinem Gastinstitut hatte ich Zugang zur aktuellsten Fachliteratur und zu anerkannten Spezialisten auf meinem Gebiet – das hat meine Forschung enorm bereichert.“
Jedes Jahr kosten tropische Wirbelstürme Menschenleben und zerstören ganze Landstriche. In Afrika war es zuletzt Zyklon Idai, der vor allem in Mosambik, Simbabwe und Malawi verheerende Schäden anrichtete. Will man die Folgen zukünftiger Stürme verringern, können bessere Vorhersagen über den exakten Weg eines Sturms ein Mittel sein. „Mit meiner Forschung möchte ich einen Beitrag leisten, vorhandene Methoden zu verfeinern und alternative Ansätze zu entwickeln“, beschreibt Marc Sedjro eine mögliche Anwendung seiner Arbeit. Der aus Togo stammende Mathematiker hat 2019 den Deutschen Forschungslehrstuhl „Angewandte Mathematik mit Spezialisierung Partielle Differentialgleichung und Variationsrechnung“ am AIMS-Institut in Südafrika übernommen. Davor leitete er zwei Jahre den AIMS-Lehrstuhl für „Angewandte Mathematik“ in Tansania.
Neben der Strömungsmechanik forscht Sedjro mit seinem Team im Bereich der Spieltheorie. Sie untersuchen die Mathematik hinter großen, sich in Bewegung befindenden Gruppen, wie zum Beispiel Fischschwärmen. In diesem Bereich kooperiert Sedjro auch mit der Arbeitsgruppe „Informationstheorie“ an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), Deutschland. Die deutsche Forschungslandschaft kennt Sedjro gut. Nach seiner Promotion am Georgia Institute of Technology in den USA forschte er drei Jahre an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen).
Für Sedjro bringt die Beschäftigung mit Mathematik Vorteile, die auch über das Fach hinausgehen: „Mathematik stärkt das logische Denken insgesamt. Wir bearbeiten Fragestellungen, ohne uns von Emotionen und Meinungen beeinflussen zu lassen.“ Eine Fähigkeit, die in vielen Lebensbereichen nützlich sein kann.