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Besser gerüstet sein für die nächste Katastrophe

Überschwemmungen und Dürren bedrohen die Leben von Millionen Menschen in Pakistan. Bessere Vorsorge aber auch sozialer Wandel können helfen.

  • vom 
  • Text: Jan Berndorff
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

Faisal Abbas

Professor Dr. Faisal Abbas ist Wirtschaftswissenschaftler an der National University of Sciences & Technology in Islamabad, Pakistan. 2017/18 forschte er als Georg Forster-Forschungsstipendiat an der Universität Göttingen. Faisal berät die Regierung Pakistans als Mitglied des Committee on Key Economic and Policy Issues sowie des Health and Well-Being, Food and Agriculture Sector Committee.

Georg Forster-Forschungsstipendium

Was der Klimawandel konkret im Alltag bedeuten kann, wird auf drastische Weise deutlich, wenn Faisal Abbas aus seinem Heimatland Pakistan berichtet. Im Jahr 2022 folgten dort binnen vier Monaten extreme Dürre und die schwerste Flutkatastrophe seit Beginn der Wetteraufzeichnungen aufeinander. Allein die Flut forderte über 1.700 Todesopfer, acht Millionen Menschen verloren ihr Zuhause. Die Landwirtschaft, in der fast die Hälfte der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt verdient, liegt seither darnieder. Die Preise für Lebensmittel sind schier explodiert. „Binnen Tagen haben sie sich verdrei- bis verfünffacht“, berichtet Faisal Abbas, Wirtschaftswissenschaftler an der National University of Sciences & Technology in Islamabad. „Für Menschen, die ohnehin kaum genug zum Leben haben, hat das dramatische Folgen. Viele leiden Hunger.“

Abbas will mit seiner Forschung helfen, solche Situationen zu entschärfen. Er ist spezialisiert auf Entwicklungsthemen wie Ernährungssicherheit, Gesundheit, insbesondere von Müttern und Kindern, sowie geschlechtsspezifische Unterdrückung. „Während meiner Promotion an der Universität Bonn vor 15 Jahren habe ich zum ersten Mal selbst erlebt, wie gut Frauen ihre Jobs ausüben“, berichtet er. „Aus meiner Heimatkultur kannte ich nur, dass Frauen aus Tradition keinen Beruf haben, sondern zu Hause bleiben. Inzwischen wandelt sich das“, sagt Abbas. „Heute trifft man an unseren Universitäten sogar mehr Frauen als Männer. Und viele von ihnen suchen anschließend auch Arbeit.“

Wenn Frauen eigenständig entscheiden können, treffen sie die weitaus besseren Entscheidungen für die Gesundheit von Kindern.
Faisal Abbas, Wirtschaftswissenschaftler und Berater der Regierung Pakistans

Die gestärkte Rolle der Frauen wirke sich unmittelbar auf die Ernährungssicherheit aus: „Wenn Frauen eigenständig entscheiden können, treffen sie die weitaus besseren Entscheidungen für die Gesundheit von Kindern“, sagt Abbas. Insofern macht ihm der Wandel der Geschlechterrollen Hoffnung im Kampf gegen den Hunger, aber auch gegen den Klimawandel. Zumal Frauen auch zunehmend in Pakistans Politik vertreten sind und diese mitprägen.

Gute Politik braucht gute Daten

Mit Blick auf Klimawandel, Nachhaltigkeit und Fragen der Ernährungssicherheit sieht Abbas die kommenden Herausforderungen für die Wissenschaft darin, die Politik und Öffentlichkeit auf der Grundlage einer guten Datenbasis zu beraten. „Gute Politik muss sich auf Informationen und Daten stützen. Wir müssen die Realität möglichst präzise erfassen, um darauf basierend Ziele zur Verbesserung des Gemeinwohls zu erreichen, die jede Regierung anstreben sollte.“

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Katastrophenschutz in Deutschland, von dem Länder wie Pakistan lernen könnten: Der Hochwasserschutz ist hier beispielsweise – wenn auch mitunter unzureichend – immerhin recht klar geregelt. So gibt es in gefährdeten Kommunen Risikokarten, die Überschwemmungsgebiete festlegen, in denen nicht gebaut werden darf. Auch Hochwasserversicherungen gebe es in Pakistan noch selten. Sie können die Folgen einer Katastrophe abfedern. Zusätzlich könnte man in Pakistan mehr kleine Dämme an den Oberläufen der Flüsse bauen, mit denen sich das Wasser zurückhalten, dosieren und zur Bewässerung nutzen ließe.

Von Deutschland lernen

„Wir sollten als Wissenschafts- und Weltgemeinschaft viel mehr Ideen austauschen und voneinander lernen“, meint Abbas. Es komme Klimaanpassung, Ernährungssicherheit und Umweltschutz enorm zugute, wenn Institutionen wie die Humboldt-Stiftung Forschenden wie ihm einen Forschungsaufenthalt ermöglichen. In seinem konkreten Fall hätten sein Georg Forster-Stipendium und auch die Promotion in Deutschland geholfen, seiner Stimme in Pakistan Gewicht zu verleihen. Heute pflegt Abbas als Mitglied in diversen Beratungsgremien der Regierung enge Kontakte zur Politik. „Politiker*innen wollen auch bei uns wiedergewählt werden, und es ist schwer, mit unpopulären, aber nötigen Maßnahmen durchzudringen“, berichtet er. „Doch je besser die wissenschaftlichen Grundlagen dafür sind, desto höher ist die Chance, Gehör zu finden.“

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