Humboldtianer*innen persönlich

Der Zufall unseres Lebens

Fünf Jahrzehnte, ein gemeinsamer Weg: Ein Blick zurück auf unser bewegtes Leben in der Wissenschaft.

  • vom 
  • Text: Esther Sambale
Fotocollage mit acht Fotos aus der Kennenlernphase von  Maria-Luisa Flonta und Mircea Flonta
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

Die 1944 geborene rumänische Neurobiologin Luisa Flonta entdeckte 1972 als Humboldt-Stipendiatin am Münchner Institut für Diabetesforschung die Zellrezeptoren für Insulin. Wie ihr Mann Mircea Flonta, 1932 geboren und emeritierter Philosophie- Professor der Universität Bukarest, ist sie Mitglied der Rumänischen Akademie. Beide sind der Stiftung als Mitglieder der Alumnivereinigung Humboldt Club Romania weiter eng verbunden.

Humboldt-Forschungsstipendium
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Studienreise

Der Zufall unseres Lebens passierte im Frühling 1972 in der Empfangshalle eines Nürnberger Hotels. Ein Kollege stellte uns einander vor. Wir waren beide Teilnehmende der Studienreise, die die Humboldt-Stiftung ihren Geförderten während ihres Forschungsaufenthalts in Deutschland anbietet. Mircea war kurzfristig dazugekommen, da er einen frei gewordenen Platz bekommen hatte. Wir hatten keine Ahnung, was folgen würde.

Im Bus saßen wir nebeneinander, tauschten uns über unsere Fachgebiete aus und diskutierten viel. Wir stellten fest, dass wir beide mit einem Humboldt- Forschungsstipendium in München waren – Mircea am Philosophischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität, ich als Biologin, Physiologin und Neurowissenschaftlerin am Institut für Diabetesforschung. Und dass wir beide von der Universität Bukarest kamen, uns dort aber nie getroffen hatten.

Unser Kennenlernen war also reiner Zufall. Wir nutzten unsere freie Zeit während des Forschungsaufenthalts in München zum Reisen, fuhren mit dem Auto kreuz und quer durch Europa. Diese Freiheit wollten wir nutzen, denn in Rumänien herrschte das kommunistische Regime von Nicolae Ceaușescu und man bekam nicht so einfach einen Reisepass. 

Portraits von Mircea Flonta und Maria-Luisa Flonta
Mircea Flonta und Luisa Flonta

Für Mircea war das Stipendium zudem ein Wendepunkt und eine riesige Chance in seiner Karriere: Zu Beginn seines Studiums wurden an den Universitäten in Rumänien politische Reinigungen durchgeführt und es war kaum möglich, professionell zu arbeiten. Auch für mich war die Zeit in München prägend. Gerne wäre ich länger geblieben. Doch die Behörden riefen mich zurück.

Im Jahr 1974 waren wir beide wieder in Rumänien, heirateten und bekamen drei Söhne. Wir arbeiteten beide weiter in der Wissenschaft. Mitte der 1990er-Jahre gründete ich den Master-Studiengang Neurobiologie an der Universität Bukarest, bis heute halte ich Vorlesungen. Auch Mircea hält noch philosophische Vorträge. Es ist ein Geschenk des Himmels, in diesem Alter noch aktiv zu sein. 

Auch heute sprechen wir noch oft über wissenschaftliche Fragen – etwa darüber, ob es einen freien Willen gibt. Aus Sicht der Neurowissenschaften sind Gedanken und Gefühle durch das Gehirn determiniert – Philosophen sehen das etwas anders. So haben wir immer Stoff für Diskussionen. Genau wie damals auf der Humboldt-Studienreise 1972.

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