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„Der Bote wird für das Überbringen der Nachricht bestraft.“

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Symbolbild mit Südafrika-Flagge, Modellflugzeug und Reisepass
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

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Nachdem in Südafrika die Omikron-Variante des Coronavirus nachgewiesen wurde, wurden gleich acht Staaten des südlichen Afrikas als Virusvariantengebiete eingestuft und mit Reisebeschränkungen belegt. Zu Unrecht meinen Forschende, schließlich grassiert die Variante auch in anderen Ländern, die keine Konsequenz zu spüren bekamen. Die Folgen für die Bekämpfung des Virus und für einen transparenten Austausch von Erkenntnissen sind fatal. Ein Gespräch mit der der Biologin Anja Buttstedt und dem Zoologen Yusuf Abdullahi.

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Dr. Anja Buttstedt

ist Feodor Lynen-Stipendiatin der Humboldt-Stiftung an der University of Pretoria, Südafrika. Ihre Leidenschaft gilt den Bienen, zu denen sie dort in der Social Insects Research Gruppe forscht.  Einem breiten Publikum stellt sie ihr Fachwissen auf der Internetseite www.bienenanja.de zur Verfügung.

Humboldt-Stiftung: Frau Buttstedt, Südafrika gilt als Ursprungsland der Omikron-Variante des Coronavirus. Aktuell gibt es deshalb Reisbeschränkungen. Warum halten Sie diese für falsch?
Anja Buttstedt: Die Klassifizierung der südlichen Länder Afrikas als Virusvariantengebiete und die Reisbeschränkungen sind diskriminierend, denn mittlerweile ist die Omikron-Variante in vielen Ländern Europas und insgesamt 57 Ländern weltweit nachgewiesen worden.1 In Großbritannien wird erwartet2, dass sie bald die Delta-Variante ablösen wird, da sie sich in vielen Landesteilen in der Bevölkerung ausbreitet. Selbst in Island ist Omikron nachgewiesen worden, ohne dass ein Zusammenhang mit Reiseaktivitäten festgestellt werden konnte.3 Entweder man klassifiziert alle Länder, in denen Omikron aufgetaucht ist,  als Virusvarianten-Gebiete oder gar keines. Wir appellieren deshalb an die deutsche Regierung, die Länder des südlichen Afrikas von der Liste der Virusvariantengebiete zu streichen.

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Dr. Abdullahi A. Yusuf

ist Vertrauenswissenschaftler der Humboldt-Stiftung in Südafrika. Er ist Gastgeber von Anja Buttstedt und lehrt Zoologie und Entomologie an der University of Pretoria, Südafrika. 

Herr Abdullahi, was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?
Yusuf Abdullahi: Als Humboldtianer glaube ich an die Werte des Humboldt-Netzwerkes: Exzellenz und Fortschritt entstehen durch Zusammenarbeit und Kooperation. Humboldt ist das Vorbild, er hat zu seiner Zeit die Sklaverei angeprangert.4 Wir leben jetzt fast zwei Jahre mit der Pandemie und müssen endlich begreifen, dass wir sie nur  gemeinsam besiegen können. Wir müssen auf der Grundlage von Fakten Entscheidungen treffen, statt aus politischen Gründen.  Ausgrenzung bringt uns nicht weiter. Im Gegenteil, Reisbeschränkungen verhindern, dass die Pandemie bekämpft werden kann.

Welche Folgen haben die Reisebeschränkungen für Südafrika?
Anja Buttstedt: Der Direktor des südafrikanischen Centre for Epidemic Response and Innovation, Tulio de Oliveira, hat erst vorgestern5 wieder darauf hingewiesen, dass Südafrika die Reagenzien ausgehen. Es landen immer weniger Flugzeuge in Südafrika. Das heißt, aufgrund der Reisebeschränkungen erhält das Land nicht die Materialien, die es braucht. Wir können nicht mehr testen und keine Sequenzierungen durchführen. Das bringt einen auf die Palme. Ich hoffe, dass Nationen auch in Zukunft epidemiologische Daten in der Welt kommunizieren, wenn sie solche Maßnahmen zu erwarten haben.

Yusuf Abdullahi: Ja, man muss bedenken, welche Folgen solchen Sanktionen für die Wissenschaftskommunikation und die internationale Zusammenarbeit haben. In der Wissenschafts-Community hier herrscht das Gefühl, dass der Bote für das Überbringen der Nachricht bestraft wurde. Südafrika hat vorbildlich sofort kommuniziert, was die Wissenschaft herausgefunden hatte. Danach wurden  auch überall sonst auf der Welt Fälle der Mutation nachgewiesen. Das südliche Afrika aber wurde für wenige hundert Fälle mit einem Bann belegt! Die Forschungsgemeinde hier ist darüber alles andere als  glücklich.

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