Aktuelles

Scout-Netzwerktreffen: Wie Scouting die Wissenschaft diverser macht

Erstmals trafen sich 60 Gastgebende zu einem Scout-Netzwerktreffen in Bonn und diskutierten, wie Scouting bisher „unsichtbare“ Exzellenz in die Wissenschaft bringen und damit die Diversität erhöhen kann.

  • vom
Gruppenbild der Teilnehmenden
Die Teilnehmenden des 1. Netzwerktreffens des Henriette Herz-Scouting-Programms
Foto von fünf Teilnehmenden in einer Diskussionsrunde an Stehtischen
Scouts unter sich: Gesprächsrunde zu Herausforderungen und Chancen beim Scouten
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

Kontakt

Presse, Kommunikation und Marketing
Tel.: +49 228 833-144
Fax: +49 228 833-441
presse[at]avh.de

Neben Mitgliedern des Auswahlgremiums des Henriette Herz-Scouting-Programms gehören die Teilnehmenden zu den Gastgeber*innen des Humboldt-Netzwerks, die seit Start des Programms der Humboldt-Stiftung 2020 als Scout ausgewählt worden sind. Als solche haben sie die Möglichkeit, bis zu drei talentierte Nachwuchswissenschaftler*innen aus aller Welt anzusprechen und direkt für ein Humboldt-Forschungsstipendium vorzuschlagen. Zielgruppe sind vielversprechende Nachwuchswissenschaftler*innen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht aus eigenen Stücken für ein Humboldt-Forschungsstipendium beworben hätten. Der erste Vorschlag der Scouts sollte dabei einer Wissenschaftlerin gelten.

Mehr Informationen zum Henriette Herz-Scouting-Programm 

„Diese Anforderung stellt Sie in den unterschiedlichen Disziplinen vor verschiedene Herausforderungen; in manchen Disziplinen ist Parität schon erreicht, in anderen ist der Wettbewerb um die klügsten weiblichen Köpfe umso kompetitiver. Aber die Ergebnisse sprechen für sich: Mehr als 70 Prozent der Forschenden, die Sie empfohlen und im Rahmen des Scouting-Programms rekrutiert haben, sind Frauen. Ein immenser Erfolg“, gratulierte Generalsekretär ad interim Thomas Hesse in seinem Grußwort den Anwesenden. Dank des Engagements von Scouts konnten in den letzten Jahren auch erstmals Wissenschaftler*innen aus Burkina Faso und Äquatorialguinea für das Humboldt-Netzwerk gewonnen werden. Der Ausbau des Humboldt-Netzwerks in afrikanischen Ländern soll in den nächsten Jahren auch mit Hilfe von Scouts vorangetrieben werden.

Mehr regionale, aber auch soziale Diversität zu erzielen, das ist das Ziel des Scouting-Programms – denn Geschlecht ist nicht die einzige Dimension von Diversität. Darauf wies auch Prof. Ute Klammer in ihrer Keynote „Exzellenz und Diversität“ hin, in der sie den gängigen Exzellenzbegriff auf Grundlage von Forschungsergebnissen einer kritischen Reflexion unterzog. „Wir sind in unseren Institutionen die Gatekeeper für Diversität“, erinnerte die Professorin für Sozialpolitik an der Universität Duisburg-Essen die Kolleg*innen im Publikum. Dabei sei Diversität kein Selbstzweck, damit die Wissenschaft von der Vielfalt der Idee profitiere, es gehe vielmehr um soziale Gerechtigkeit und Teilhabe. „Es ist erwiesen, dass Auswählende aufgrund von homosozialer Kooptation dazu neigen, Individuen auszuwählen, die ihnen selbst ähnlich sind. Daher wäre es eine gute Idee, Fortbildungen einzurichten, durch die sich Mitglieder in Auswahlausschüssen die eigene Voreingenommenheit in der Frage 'wer ist exzellent' bewusst machten“, so Klammer.

Foto von Frau Klammer bei Ihrem Vortrag.
Prof. Dr. Ute Klammer mit ihrem Vortrag zum Spannungsverhältnis von Diversität und Exzellenz.

Wenn wir Diversität erhöhen wollen, brauchen wir einen breiteren Exzellenzbegriff

Wichtigste Botschaft der Expertin für Diversitätsforschung: „Wenn wir Diversität erhöhen wollen, brauchen wir einen breiteren Exzellenzbegriff. Die klassischen Kriterien von Exzellenz wie die Zahl der Publikationen greifen zu kurz, um jenen den Zugang zum Förderungssystem zu ermöglichen, die mit Hürden zu kämpfen haben, wie etwa Zeitverlust durch Care-Arbeit oder mangelnde Kenntnisse der englischen Sprache, was den Zugang zum anglophonen Publikationswesen erschwert. Die Aufgabe der Scouts ist es, jene Exzellenz sichtbar zu machen, die bisher unsichtbar geblieben ist“, schlussfolgerte Klammer.

Aber wie geht das am besten? In wechselnden Gesprächsrunden tauschten sich die Scouts am Nachmittag über Chancen und Herausforderungen des Scouting aus. Dabei ging es z.B. um den günstigsten Moment der frühzeitigen Kontaktaufnahme, aber auch die Frage, wie man stark umworbene Kandidat*innen wie weibliche Postdocs aus dem Ausland für Deutschland begeistern kann. Als ein Pluspunkt des Humboldt-Forschungsstipendiums ist zu nennen, dass das Stipendium seit kurzem von allen Stipentiat*innen in drei Aufenthalte unterteilt werden kann.

Bei aller kritischer Reflexion des herrschenden Exzellenzbegriffs, das betonte auch Expertin Ute Klammer, stellt das Henriette Herz-Scouting-Programm einen Meilenstein auf dem Weg zu mehr Diversität in der Wissenschaft dar. Das sahen auch die Scouts so, die sich mit viel Engagement für mehr Diversität in der Wissenschaft einsetzen. „Das Programm hat mir die Möglichkeit gegeben, eine wirklich brillante Wissenschaftlerin in mein Team zu holen, die sich nicht getraut hätte, sich zu bewerben“, berichtete die Alexander von Humboldt-Professorin Hanna Kokko, die seit 2023 für die Humboldt-Stiftung scoutet.
„Ich konnte einen hervorragenden Wissenschaftler gewinnen, von dem wir so viel gelernt haben, der aber auf normalem Weg keine Chance gehabt hätte, weil er zwischen zwei so weit auseinander liegenden Disziplinen arbeitet, dass es für ihn bei normalen Bewerbungsverfahren keine Kategorie gegeben hätte“, so Matthias Rillig, Professor für Ökologie der Pflanzen und Direktor des Berlin-Brandenburgisches Instituts für Biodiversitätsforschung. Mit einem einzigen Satz brachte es Claudia Derichs, Professorin für Transregionale Südostasien-Studien auf den Punkt: „Das Programm gibt mir die Möglichkeit, ungeschliffene Diamanten für die Wissenschaft zu gewinnen.“ Und die sind bekanntlich besonders wertvoll.

vorheriger Eintrag Ukraine-Netzwerktreffen: Wie geht es weiter für ukrainische Forschende?
nächster Eintrag Vorwürfe im Rahmen des Auswahlverfahrens zum Bessel-Forschungspreis