Sofja Kovalevskaja-Preisträger 2010

Saturn-ähnliches Dekortationsbild

Kontakt

Kristina Güroff
Presse, Kommunikation und Marketing
Tel.: +49 228 833-144
Fax: +49 228 833-441
presse[at]avh.de

Georg Scholl
Leiter
Presse, Kommunikation und Marketing
Tel.: +49 228 833-258
Fax: +49 228 833-441
presse[at]avh.de

Isabel Bäurle

Pflanzengenetik

Das Gedächtnis der Pflanzen
Negative Umwelteinflüsse machen Pflanzen Stress und führen so zu Ernteausfällen – ein Problem, das wahrscheinlich durch den Klimawandel noch verschärft wird. Die unmittelbare Reaktion von Pflanzen auf solche Einflüsse ist bereits gut erforscht, nicht aber die Anpassung an anhaltenden oder immer wiederkehrenden Stress, obwohl sie in der Natur von großer Bedeutung ist. Pflanzen erinnern sich durchaus an Stresssituationen und reagieren, wenn sich solche Situationen wiederholen. Dabei sind die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen noch weitgehend unbekannt. Isabel Bäurle will am „Gedächtnis“ der Arabidopsis (Ackerschmalwand) zeigen, wie Pflanzen auf molekularer Ebene Umwelteinflüsse wie beispielsweise Hitze speichern und überhaupt ohne Nervensystem ein zelluläres Gedächtnis entwickeln. Sie erforscht, wie sich dieses Gedächtnis während der Evolution verändert, um Pflanzen anpassungsfähig für verschiedene Lebensräume zu machen. Die erhofften Einsichten sind auch von wirtschaftlicher Bedeutung und könnten neue Ansätze für die Optimierung von Erträgen liefern.

Gastinstitut: Universität Potsdam, Institut für Biochemie und Biologie
Gastgeber: Prof. Dr. Bernd Müller-Röber

Dossier Sofja Kovalevskaja-Preis 

Dr. Isabel Bäurle,
geboren 1974 in Deutschland, studierte erst Deutsch und Französisch, danach Biologie und Chemie an der Universität Freiburg, wo sie 2004 promoviert wurde. Ein Studienaufenthalt führte sie von 1997-1998 nach Bologna, Italien. 2004 wechselte Bäurle an das John Innes Centre in Norwich, Großbritannien. Seit 2009 ist sie dort Projektleiterin im Department of Disease and Stress Biology.

Lapo Bogani

Festkörperphysik und Chemie

Magnete von der Größe eines Moleküls
Nanomaterialien von sehr geringer Größe, in denen lediglich einige Tausend Atome miteinander verbunden werden, werden vermehrt in Medizin, Sensortechnik und Elektronik eingesetzt. Lapo Bogani befasst sich mit der Synthese und Charakterisierung von Nanomagneten sowie mit der Nutzung von Kohlenstoff-Nanostrukturen für Messgeräte und elektronische Bauteile. Es ist ihm gelungen, die ersten hybriden Nanostrukturen von Kohlenstoff-Nanoröhrchen und Einzelmolekülmagneten herzustellen. Boganis Ziel ist es nun, hochempfindliche Geräte zu entwickeln, um Magnetisierungsprozesse eines einzelnen Moleküls beziehungsweise Atoms beobachten zu können. Sein Projekt soll grundlegende Fragen über das Verhalten von magnetischen Einzelatomen beantworten sowie die Messtechnik verbessern. In Zukunft könnten Nanomagneten Computerfestplatten mit besonders hoher Speicherdichte ermöglichen und wichtige Bausteine für Quantencomputer sein.

Gastinstitut: Universität Stuttgart, 1. Physikalisches Institut
Gastgeber: Prof. Dr. Martin Dressel

Dr. Lapo Bogani,
geboren 1978 in Italien, studierte Chemie an der Università degli Studi di Firenze, wo er 2006 promoviert wurde. Von 2006 bis 2008 führte ihn ein Marie Curie-Individualstipendium an das Institut Néel des Centre national de la recherche scientifique in Grenoble, Frankreich. Seit 2009 forscht er an der Universität Stuttgart, wo er auch als Sofja Kovalevskaja-Preisträger tätig sein wird.

Camin Dean

Neurobiologie

Synapsen in perfekter Balance
Das Gehirn ist das komplexeste Organ des menschlichen Körpers. Milliarden von Nervenzellen und Billionen von Verknüpfungen, die Synapsen, erlauben die Kontrolle vitaler Funktionen von der Atmung bis zur Ausübung vielschichtiger mentaler Aufgaben. Unablässig muss sich das Gehirn auf Veränderungen in der Umwelt einstellen. Ein Schlüssel hierfür ist die synaptische Plastizität, die Fähigkeit der Synapsen, sich und die Stärke der von ihnen übertragenen Signale anzupassen. Steigt die Signalstärke jedoch zu sehr an, kann es zu Schädigungen oder epileptischen Anfällen kommen. Camin Dean untersucht die Mechanismen, die die Synapsen in der Balance halten, sodass das Gehirn funktionieren kann. Sie hat herausgefunden, welches Protein die Stärke von Synapsen auf einen sinnvollen Bereich einstellt, indem es die Freisetzung eines Neurotrophins kontrolliert, eines Signalstoffes, der nicht nur die synaptische Plastizität, sondern auch die Bildung neuer Synapsen beeinflusst. Dean will die zugrunde liegenden Mechanismen studieren und so dazu beitragen, Erkrankungen wie die Alzheimerkrankheit, Morbus Parkinson und Epilepsie besser behandeln zu können.

Gastinstitut: Universität Göttingen, European Neuroscience Institute
Gastgeber: Prof. Dr. Walter Stühmer

Dr. Camin Dean,
geboren 1971 in den USA, studierte Molekular- und Zellbiologie an der University of Arizona, Tucson, und der University of California, Berkeley, wo sie 2003 promoviert wurde. Forschungsaufenthalte führten sie nach Livermore, California, und nach New York. Seit 2004 forscht sie an der University of Wisconsin, Madison.

Brandon Dotson

Tibetologie

Königtum und Religion in Tibet
Vom siebten bis zum neunten Jahrhundert wurde Tibet von einer Dynastie von Königen regiert, deren göttliches Recht zu herrschen sowohl in ihrer sakralen Natur als auch in dem gerechten Anspruch ihrer Regierung begründet lag. Mit dem Übergang des Königreichs zum Buddhismus in der Mitte des achten Jahrhunderts erfuhr die göttliche Natur des Königs einen grundlegenden Wandel. Wie andere buddhistische Könige auch wurde er nun als universeller buddhistischer Monarch angesehen. Brandon Dotson untersucht die sakralen und politischen Aspekte dieses Wandels im tibetischen Königtum von den frühen Kontakten mit dem Buddhismus im siebten Jahrhundert bis zu dessen Dominanz ab dem elften Jahrhundert. Dotson verwendet vergleichende anthropologische Modelle und bezieht ähnliche Beispiele sakralen Königtums in China, Südostasien und Zentralasien in seine Untersuchungen ein. Seine Forschung trägt damit zur wichtigen Diskussion über die uralte und universelle Frage nach der Beziehung zwischen geistlicher und weltlicher Macht bei.

Gastinstitut: Universität München, Institut für Indologie und Tibetologie
Gastgeber: Prof. Dr. Franz-Karl Ehrhard

Dr. Brandon Dotson,
geboren 1978 in den USA, studierte Religion an der Wesleyan University in Middletown, Connecticut, sowie Tibetologie und Orientwissenschaften an der University of Oxford, Großbritannien, wo er 2006 promoviert wurde. Forschungsaufenthalte führten ihn nach Chengdu, China, und Lhasa, Tibet. Von 2006 bis 2008 lehrte er in London, Großbritannien, und ging dann zurück nach Oxford. 2010 hatte er eine Gastprofessur an der University of California in Santa Barbara, USA, inne.

Gustavo Fernández Huertas

Organische Chemie

Der geheime Plan der Moleküle
Moleküle reagieren aufeinander, etwa indem sie Bindungen eingehen oder einander abstoßen – manchmal in einer so sinnvollen Weise, als ob ein geheimer Plan ihr Tun leiten würde. Ob und welche Systematik hinter dem „Verhalten“ bestimmter Moleküle steckt und wie sie sich möglicherweise steuern lassen, untersucht Gustavo Fernández Huertas an Oligomeren, also Molekülen, die aus mehreren strukturell gleichen oder ähnlichen Einheiten aufgebaut sind. Fernández Huertas, der zuvor auf dem Gebiet der Fullerenchemie mit seiner Erfindung molekularer Pinzetten für Aufmerksamkeit sorgte, erforscht, wie sich bestimmte Oligomere in Wasser organisieren und wie sie auf externe Reize wie Metallionen oder Licht reagieren. Intelligente Materialien, deren Eigenschaften - wie in Fernández Huertas‘ Versuchen geplant - gezielt beeinflusst werden können, sollen neue Anwendungen in verschiedensten Bereichen von der Sensorik bis zur Biomedizin ermöglichen.

Gastinstitut: Universität Würzburg, Institut für Organische Chemie
Gastgeber: Prof. Dr. Frank Würthner

Dr. Gustavo Fernández Huertas,
geboren 1979 in Ávila, Spanien, studierte Chemie an der Universidad Complutense de Madrid, wo er 2009 promoviert wurde. 2006 führte ihn ein mehrmonatiger Forschungsaufenthalt nach Los Angeles, USA. Seit Mai 2009 forscht Fernández Huertas als Stipendiat der Humboldt-Stiftung an der Universität Würzburg.

Jörn Fischer

Ökologie

Nachhaltige Entwicklung von traditionellen Kulturlandschaften
Rapide globale Veränderungen bedrohen Ökosysteme und Kulturlandschaften, vor allem in armen Ländern. Hier setzt das transdisziplinäre Forschungsprogramm an, mit dem Jörn Fischer Bedingungen für eine nachhaltige Entwicklung in Osteuropa erforschen und fördern will. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Agrarlandschaften Zentralrumäniens, einer Region, die zwar wirtschaftlich arm ist, zugleich jedoch eine außergewöhnlich reiche Vielfalt an natürlichen und kulturellen Gütern besitzt. Tradierte landwirtschaftliche Methoden ohne aufwendigen Maschinen- oder Kunstdüngereinsatz haben eine ungewöhnlich hohe Artenvielfalt erhalten, von seltenen Pflanzen wie Orchideen bis hin zu Großsäugetieren wie Wölfen und Bären. Seit der Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union stellt sich für Zentralrumänien die schwierige Aufgabe, eine Balance zwischen materiellem Wohlstand und dem Erhalt der einzigartigen Natur- und Kulturgüter der Region zu erreichen. Jörn Fischers Forschungsprogramm bringt Naturwissenschaftler, Humanwissenschaftler, regionale Entscheidungsträger und Einwohner zusammen und soll ein Konzept schaffen für die nachhaltige Entwicklung der Region.

Gastinstitut: Leuphana Universität Lüneburg, Institut für Ökologie und Umweltchemie
Gastgeber: Prof. Dr. Stefan Schaltegger

Dr. Jörn Fischer,
geboren 1976 in Deutschland, studierte Geografie an der Australian National University in Canberra, Australien, wo er 2004 promoviert wurde und zurzeit als Stipendiat des Australian Research Council forscht. Auslandsaufenthalte führten ihn nach Stockholm, Schweden, und an die Stanford University in Palo Alto, California, USA.

Jörg Fröbisch

Paläozoologie

Vom Verschwinden und Überleben der Arten
Vor rund 250 Millionen Jahren, am Übergang vom Erdaltertum zum Erdmittelalter, kam es zum größten Massenaussterben in der Erdgeschichte: Schätzungsweise 80 bis 90 Prozent aller Arten verschwanden für immer. Die meisten Erkenntnisse über dieses Ereignis haben fossile Meeresorganismen geliefert. Nur wenig dagegen ist über die Veränderungen an Land und insbesondere bei den Wirbeltieren bekannt. In diese Lücke stößt Jörg Fröbisch mit seiner Forschung vor. Er untersucht die Verwandtschaftsverhältnisse, Paläobiologie und Diversifikationsmuster der Synapsiden – neben den Reptilien die zweite große Gruppe innerhalb der Amnioten, aller vollständig ans Landleben angepassten Wirbeltiere. Aus den Synapsiden haben sich die Säugetiere entwickelt, die heute auch nur noch als Säugetiere vertreten sind. Im Laufe der Erdgeschichte gab es allerdings eine Vielzahl erfolgreicher Synapsidengruppen, die nur entfernt mit Säugetieren verwandt sind, so zum Beispiel die Segelechse Dimetrodon. Fröbisch kombiniert paläontologische Geländearbeit mit modernen Methoden wie 3D-Bildtechnologien, um neue Einblicke in die anfängliche Diversifikation der frühen Säugetierverwandten zu erhalten. Seine Forschung ist mit Blick auf das heutige Verschwinden von Arten und biologischer Vielfalt auch von aktueller Bedeutung.

Gastinstitut: Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin
Gastgeber: Dr. Johannes Müller

Dr. Jörg Fröbisch,
geboren 1977 in Deutschland, studierte Geologie und Paläontologie an der Universität Bonn sowie Evolutionsbiologie an der University of Toronto, Kanada, wo er 2008 promoviert wurde. Seit 2009 forscht er am Geology Department des Field Museum in Chicago, USA.

Joseph Hennawi

Astronomie

Entschlüsselung leerer Räume
Das extrem dünne intergalaktische Medium, das die Zwischenräume zwischen Galaxien füllt, weist heute noch nahezu die gleichen Eigenschaften auf wie direkt nach dem Urknall und kann daher grundlegende Informationen über die Geschichte unseres Universums liefern. Die intergalaktischen Atome lassen sich allerdings nur indirekt nachweisen: dadurch, dass sie selektiv Anteile des Lichts ferner, extrem heller Galaxien absorbieren, sogenannter Quasare. Joseph Hennawi gelang es, eine neue Methode zum Auffinden von Paaren solcher Quasare zu entwickeln, also von je zwei Quasaren, die am Himmel zufällig direkt nebeneinander stehen. Er hat außerdem gezeigt, wie sich dieses äußerst seltene Zusammentreffen nutzen lässt, um Informationen über die räumliche Struktur und die physikalischen Eigenschaften des intergalaktischen Mediums abzuleiten. Hennawi nutzt die größten Teleskope der Welt, um solche Quasarpaare zu beobachten. Der Vergleich mit Supercomputer-Simulationen verspricht Antworten auf grundlegende Fragen zur kosmischen Geschichte und zur Entstehung von Galaxien, Sternen und Planeten.

Gastinstitut: Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Gastgeber: Prof. Dr. Hans-Walter Rix

Dr. Joseph Hennawi,
geboren 1976 in den USA, studierte Physik an der Stanford University, California, und Astrophysik an der Princeton University, New Jersey, wo er 2004 promoviert wurde. Im Anschluss forschte er an der University of California in Berkeley. 2009 wechselte er an das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er auch als Sofja Kovalevskaja-Preisträger beschäftigt sein wird.

Shigeyoshi Inoue

Anorganische Chemie

Kleine Moleküle für schnelle Reaktionen
Organometallverbindungen, die Metall-Kohlenstoff-Mehrfachbindungen enthalten, gehören zu den unverzichtbaren Bestandteilen vieler Katalysatoren für die abfallfreie und energiesparende chemische Umwandlung von Rohöl in industriellen Prozessen. Während Metall-Kohlenstoff-Mehrfachbindungen heutzutage bestens erforscht sind, ist über Alternativen wie Metall-Silicium-Mehrfachbindungskomplexe wenig bekannt. Shigeyoshi Inoue erforscht diese Verbindungen, an die sich hohe Erwartungen knüpfen. So sollen sie als wirksame Katalysatoren dienen können, die in der Lage sind, kleine und relativ reaktionsträge Moleküle für effiziente Synthesen von komplexen organischen Molekülen, Pharmazeutika und Polymeren zu aktivieren. Inoues Arbeiten sollen den Weg zu neuartigen Reagenzien und Katalysatoren ebnen, insbesondere für die Aktivierung von kleinen Molekülen wie dem Methan, als der Hauptkomponente des Erdgases, und Ammoniak.

Gastinstitut: Technische Universität Berlin, Institut für Chemie
Gastgeber: Prof. Dr. Matthias Drieß

Dr. Shigeyoshi Inoue,
geboren 1980 in Japan, studierte Chemie an der Universität Tsukuba, wo er 2008 promoviert wurde. Als Humboldt-Forschungsstipendiat und Forschungsstipendiat der Japan Society for the Promotion of Science ist er seit 2008 am Institut für Chemie der Technischen Universität Berlin, wo er auch als Sofja Kovalevskaja-Preisträger forschen wird.

Eike Kiltz

Theoretische Informatik

Kryptotechnik der nächsten Generation macht das Internet sicherer
Ohne Verschlüsselungsverfahren und sichere digitale Signaturen wären viele Anwendungen im Internet wie das Homebanking oder der Online-Einkauf nicht möglich. Doch Kryptografen, die Verschlüsselungen herstellen, und Hacker, die diese zu umgehen oder zu knacken versuchen, befinden sich in einem ständigen Kopf-an-Kopf-Rennen. Neuartige Algorithmen, wie sie etwa auf Quantencomputern realisiert werden könnten, und immer offensivere und geschicktere Strategien der Hacker erfordern die Entwicklung von Kryptotechniken der nächsten Generation, wie sie im Zentrum der Arbeit von Eike Kiltz stehen. Kiltz benutzt bekannte hochkomplexe mathematische Probleme und Annahmen, in denen er nach Schlüsseln für neue und alternative Sicherheitsmodelle sucht.

Gastinstitut: Universität Bochum, Fakultät für Mathematik, Lehrstuhl für Kryptologie und IT-Sicherheit
Gastgeber: Prof. Dr. Alexander May

Dr. Eike Kiltz,
geboren 1975 in Deutschland, studierte Mathematik an der Universität Bochum, wo er 2004 promoviert wurde. Er verbrachte Forschungsaufenthalte in Dänemark, Spanien, der Schweiz und den USA. Seit 2005 ist Kiltz wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum voor Wiskunde en Informatica in Amsterdam, Niederlande.

Philipp Alexander Lang

Hepatologie

Treffsichere Antikörper gegen chronische Hepatitis
Chronische, durch Viren ausgelöste Hepatitiserkrankungen sind ein globales Gesundheitsproblem. Es wird geschätzt, dass fast 10 Prozent der Weltbevölkerung an einer solchen Infektion leiden. Gerade bei den chronischen Hepatitiserkrankungen werden oft kaum Antikörper gebildet, um die Viren zu bekämpfen. Doch die Schwere der Erkrankung ist in vielen Fällen nicht allein dem Virus selbst und einer mangelhaften Immunantwort zuzuschreiben. Oft kommen fehlgeleitete Abwehrreaktionen hinzu, bei denen sich Antikörper gegen das eigene Gewebe wenden. Woran dies liegt, erforscht Philipp Alexander Lang. Hierzu nutzt er zwei verschiedene Infektionsmodelle: einmal Infektionen, die durch ein zellschädigendes Virus erfolgten, und solche, an denen ein Virus Schuld ist, das keine Zellschäden verursacht. Im Vergleich beider Infektionsmodelle will Lang herausfinden, wie die Bildung solcher Antikörper begünstigt wird, die tatsächlich das Virus wirksam attackieren und nicht den eigenen Körper.

Gastinstitut: Universität Düsseldorf, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie
Gastgeber: Prof. Dr. Dieter Häussinger

Dr. Philipp Alexander Lang,
geboren 1980 in Österreich, studierte Medizin an der Universität Tübingen, wo er 2007 promoviert wurde. Forschungsaufenthalte führten ihn an die Yale University, USA, und an die Universität Zürich, Schweiz. Seit 2007 forscht Lang am Ontario Cancer Institute des Princess Margaret Hospital in Toronto, Kanada. Langs Bruder Karl Sebastian ist seit 2008 Sofja Kovalevskaja-Preisträger.

Pierpaolo Mastrolia

Theoretische Physik

Mathematik für den Teilchenbeschleuniger
Die Physik der Elementarteilchen untersucht die fundamentalen Bausteine der Materie und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte. Die nötigen Experimente finden an großen Teilchenbeschleunigern statt wie dem größten seiner Art, dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN bei Genf. Dort erwartet man in den kommenden Jahren Antworten auf Fragen wie die nach dem Ursprung der Teilchenmassen. Nach dem Standardmodell, der derzeitig anerkannten Theorie der fundamentalen Wechselwirkungen, sollte das für die Masse verantwortliche Higgs-Teilchen am LHC entdeckt werden können. Dazu müssen genaue theoretische Vorhersagen zur Überprüfung im Experiment gemacht werden, die umfangreiche Berechnungen mit ausgefeilten mathematischen Methoden erfordern, wie sie von Pierpaolo Mastrolia mit entwickelt wurden. In seinem Projekt wird er die mathematischen Methoden weiterentwickeln und zur Berechnung von Prozessen einsetzen, die für die Entdeckung des Higgs-Teilchen relevant sind.

Gastinstitut: Max-Planck-Institut für Physik, München
Gastgeber: Prof. Dr. Wolfgang Hollik

Dr. Pierpaolo Mastrolia,
geboren 1975 in Italien, studierte Astronomie und Theoretische Physik an der Universität Bologna, wo er 2004 im Fach Physik promoviert wurde. Forschungsaufenthalte führten ihn an die Universität Karlsruhe, die University of California in Los Angeles, USA, und in die Schweiz an die Universität Zürich und das CERN in Genf.

Andreas Möglich

Optogenetik

Künstliche Lichtschalter steuern Zellen
Damit Pflanzen zum Licht hin wachsen können, werden auf molekularer Ebene sogenannte Photorezeptorproteine aktiv. Auch in anderen Organismen steuert Licht Funktionen und Verhalten. Dies macht sich die Optogenetik zunutze, ein neues Forschungsgebiet, in dem es Wissenschaftlern wie Andreas Möglich darum geht, genetisch modifizierte Zellen mithilfe von Licht zu beeinflussen oder zu steuern. Verschiedene natürlich vorkommende Photorezeptoren wurden so bereits erfolgreich in fremde Organismen eingebracht. Andreas Möglich will die Funktion natürlicher Photorezeptoren genauer erforschen, um künstliche Photorezeptoren herzustellen. Diese künstlichen Lichtschalter können in Zielorganismen eingesetzt und genutzt werden, etwa um das Verhalten von Versuchstieren wie Würmern oder Fruchtfliegen berührungslos zu steuern oder Zellen zu therapeutischen Zwecken zu stimulieren.

Gastinstitut: Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Biologie, Lehrstuhl für Experimentelle Biophysik
Gastgeber: Prof. Dr. Peter Hegemann

Dr. Andreas Möglich,
geboren 1975 in Deutschland, studierte Biochemie an der Universität Regensburg und Biophysik an der Universität Basel, Schweiz, wo er 2005 promoviert wurde. Ein Forschungsaufenthalt führte ihn 1999 an die Washington University in St. Louis, USA. Seit 2006 arbeitet Möglich als Postdoktorand an der University of Chicago, USA.

Simone Pika

Ethologie und vergleichende Psychologie

Entwicklung der gestischen Kommunikation
Menschliche Sprache ist einzigartig im Tierreich und wird oft zur Definition des Menschseins herangezogen. Kinder beginnen bereits im ersten Lebensjahr vorwiegend anhand von Gesten mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Doch inwieweit unterscheidet sich diese Gestik, die noch nicht von gesprochener Sprache begleitet wird, innerhalb verschiedener menschlicher Kulturen und zwischen Mensch und Tier? Diese Frage erforscht Simone Pika, indem sie die Entwicklung und Verwendung gestischer Kommunikation in menschlichen Kulturen, sowie zwischen nah verwandten Arten, beispielsweise zwischen Menschen, Schimpansen und Bonobos, und Arten, die in vergleichbaren Sozialsystemen leben, wie Schimpansen und Rabenvögel, miteinander vergleicht. Dieser innovative Ansatz ermöglicht eine neue Sichtweise auf den gestischen Ursprung menschlicher Sprache, die zugrunde liegenden kognitiven Mechanismen und das Zusammenspiel ontogenetischer und phylogenetischer Faktoren.

Gastinstitut: Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen
Gastgeber: Prof. Dr. Bart Kempenaers

Dr. Simone Pika,
geboren 1972 in Deutschland, studierte Biologie an der Universität Münster und der Universität Irchel, Schweiz. Sie wurde 2003 am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig bei Michael Tomasello, Max-Planck-Forschungspreisträger 2010, promoviert. Nach Forschungsaufenthalten in Kanada und Schottland forscht und lehrt Pika seit 2007 an der School of Psychological Sciences der University of Manchester, Großbritannien.

Roberto Rinaldi

Organisch-chemische Technologie

Umweltfreundliche Energie und Werkstoffe aus Biomasse
Die Ölvorräte gehen Prognosen zufolge noch in diesem Jahrhundert zur Neige. Eine Alternative zum Erdöl ist Biomasse, aus der beispielsweise Kraftstoffe gewonnen werden können. Um eine Konkurrenz mit Nahrungs- und Futtermitteln zu vermeiden, sollten statt Früchten pflanzliche Strukturbestandteile wie Holz bevorzugt werden. Doch sind diese viel schwieriger in die gewünschten Stoffe umzuwandeln. Roberto Rinaldi hat deshalb katalytische Prozesse entwickelt, mit denen die Cellulose, einer der Hauptbestandteile von Holz, zunächst sehr schnell aufgelöst und dann zu kleineren Molekülen abgebaut werden kann, aus denen sich wiederum Basischemikalien herstellen lassen. In seinem Projekt dehnt Rinaldi diesen Ansatz auf einen weiteren Hauptbestandteil von Holz aus, das Lignin. Dieses bietet Zugang zu Verbindungen, die aus dem Celluloseanteil der Biomasse nur unter Schwierigkeiten synthetisiert werden können. Nachhaltige Anwendungsfelder in der Zukunft sind nicht nur die umweltfreundliche Gewinnung von Energie, sondern auch die Nutzung neuer Biowerkstoffe.

Gastinstitut: Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr
Gastgeber: Prof. Dr. Ferdi Schüth

Dr. Roberto Rinaldi,
geboren 1979 in Brasilien, studierte Chemie an der Universidade Estadual de Campinas, Brasilien, wo er 2006 promoviert wurde. Dort forschte er am Institut für Chemie und 2007 als Postdoktorand am Laboratório Nacional de Luz Sincotron. Ende 2007 wechselte er an das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr, wo er auch als Sofja Kovalevskaja-Preisträger forschen wird.

Dmitry Volodkin

Biotechnologie

Zellzüchtung für neue Therapien
An die Einführung zellbasierter Therapien in der Medizin werden große Erwartungen geknüpft. So sollen Stammzellen künftig zur Behandlung degenerativer Krankheiten dienen, Zellen des Immunsystems sollen stimuliert und neue Medikamente an Gewebeproben zuverlässiger und ohne Tierversuche getestet werden. Für alle diese Anwendungen ist es notwendig, das Verhalten und die Entwicklung von Zellen gezielt steuern zu können. Die für solche Therapien wichtigen adhärenten Zellen, also Zellen, die außerhalb des Organismus an einer Oberfläche anwachsen und sich teilen können, reagieren dabei auf die Beschaffenheit der Oberfläche, auf der sie wachsen. Dies nutzt Dmitry Volodkin, der ultradünne Schichten aus diversen Polyelektrolyten so maßschneidert, dass er mit ihnen die Entwicklung der Zellen steuern kann. Er modifiziert die Polyelektrolytschichten zudem so, dass sie sich durch externe Stimuli, etwa Laserlicht, in ihren Eigenschaften schalten lassen und somit sehr viel einfacher und vielfältiger nutzbar sind. Er will nun die zellbiologischen, biochemischen und physikalischen Aspekte dieses Konzepts weiter untersuchen und versuchen, das Potenzial für biomedizinische Anwendungen zu steigern.

Gastinstitut: Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik, Potsdam-Golm
Gastgeber: Dr. Claus Duschl

Dr. Dmitry Volodkin,
geboren 1979 in Russland, studierte Chemie an der Staatlichen Lomonosov-Universität Moskau, wo er 2005 promoviert wurde. Forschungsaufenthalte führten ihn an das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und an die Université de Strasbourg, Frankreich. Seit September 2009 forscht er als Humboldt-Forschungsstipendiat an der Technischen Universität Berlin.