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Radioastronom Anton Zensus über die erste Aufnahme eines Schwarzen Loches

Es war eine der bahnbrechendsten Entdeckungen des Jahres: das erste Bild eines Schwarzen Loches. Humboldtianer Anton Zensus ist Vorstandsvorsitzender der Event Horizon Telescope Kollaboration, dem Forscherteam, das über 20 Jahre mit vereinten Kräften auf diese Aufnahme hingearbeitet hat. Jetzt kann die Gruppe einen weiteren Erfolg verzeichnen: Für ihre wegweisende Arbeit erhält sie am 3. November den „Oscar of Science“, den Breakthrough-Preis für Fundamentalphysik 2020. Wir haben Anton Zensus gefragt, was ein Schwarzes Loch eigentlich ist und welche Wellen das Bild in der wissenschaftlichen Welt geschlagen hat.

Humboldt-Stiftung: Herr Zensus, welcher Gedanke ging Ihnen als Erstes durch den Kopf, als Sie das Bild vom Schwarzen Loch sahen?
Anton Zensus: Zuerst dachte ich: Hier stimmt etwas nicht. Es muss sich um eine Simulation handeln. Aber es waren tatsächlich unsere Messdaten, die dieses eindeutige Ergebnis hervorgebracht haben: In der Mitte des Bildes gibt es eine Verdunkelung, das Abbild des Schwarzen Loches. Viele Jahre harter Arbeit kulminierten in diesem Moment. Ich musste (innerlich) schmunzeln: Heureka, wir haben es gefunden. Erlösung, Freude, Begeisterung – sehr viele Emotionen kamen zusammen.

Humboldt-Stiftung: Im September haben Sie erfahren, dass Ihre bahnbrechende Entdeckung mit dem Breakthrough-Preis für Fundamentalphysik 2020 gewürdigt wird. Wie viele Jahre Forschungsarbeit fanden in dem Foto ihren Höhepunkt?
Anton Zensus: Unsere Messtechnik wurde in den 1960er Jahren entwickelt. Damals dachte niemand, dass es möglich wäre, ein solches Ziel zu erreichen. Seit 1997, als ich als Direktor an das Max-Planck-Institut für Radioastronomie berufen wurde, wurde klar, dass bei kurzen Wellenlängen auch der Ereignishorizont eines Schwarzen Loches abgelichtet werden könnte. Und dann haben wir mit voller Kraft darauf hingearbeitet. Jetzt, 22 Jahre später, sind wir am Ziel angelangt.

Das breite Echo, das unsere Forschung ausgelöst hat, hat uns überwältigt.
Anton Zensus

Humboldt-Stiftung: Was bedeutet es Ihnen, mit diesem einzigartigen Forschungsergebnis eine so große Masse an Menschen erreicht zu haben?
Anton Zensus: Wir wussten, dass unsere Beobachtung ein wissenschaftlicher Durchbruch war und dass das Bild sehr ansprechend ist. Aber wie sehr es die Phantasie von so vielen Menschen anregen würde, hatten wir uns nicht vorstellen können. Das breite Echo, das unsere Forschung ausgelöst hat, hat uns überwältigt. Viele Gedanken und Empfindungen kommen zusammen: die Freude über die Schönheit der Gesetze der Physik, die das Universum erklären. Und über die Motivation neuer Generationen, Mathematik und Physik zu studieren. Außerdem war es einfach beeindruckend, wie selbstverständlich so viele Menschen weltweit zusammengearbeitet haben, um so schöne und gleichzeitig bedeutsame Ergebnisse zu erzielen. Zusammengefasst: Emotion und Begeisterung, nicht nur für die wissenschaftliche Gemeinschaft, sondern auch für Millionen von Menschen.

Humboldt-Stiftung: Können Sie in einem Satz erklären, was ein Schwarzes Loch ist? Was davon kann man auf dem Bild erkennen?
Anton Zensus: Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt mit so einer starken Gravitationswirkung, dass weder Materie noch Information (Licht) diese Umgebung verlassen können. Eine sehr große und kompakte Masse ist dazu nötig – im Falle von M 87 sprechen wir von über sechs Milliarden Sonnenmassen.
Auf dem Bild sehen wir heiße Materie, die sich ringförmig um das supermassereiche Schwarze Loch angesammelt hat. Tatsächlich befindet sich ein großer Teil der leuchtenden Materie von uns aus gesehen sogar hinter dem Schwarzen Loch. Denn diese supermassereichen Objekte krümmen die Raumzeit stark und lenken damit auch Licht ab. Ab einem Punkt laufen die Lichtstrahlen in kreisförmigen Bahnen um das schwarze Loch herum. Das ist der Ring, den wir auf dem Bild sehen. Innerhalb des Ringes wird das Licht vom schwarzen Loch angezogen und kann nicht mehr entweichen.

Wir haben zum ersten Mal visuell bestätigt, dass es Schwarze Löcher gibt.
Anton Zensus

Humboldt-Stiftung: Warum ist das Bild so ein Durchbruch?
Anton Zensus: Wir haben zum ersten Mal visuell bestätigt, dass es Schwarze Löcher gibt. Bisher hatten wir nur indirekte Beweise, jetzt ist es uns gelungen, ein scharfes Bild zu bekommen. Dieses Bild macht das Schwarze Loch nicht nur sichtbar, sondern auch messbar. Wir können daraus viel über die Masse, die Rotation und die Magnetfelder in diesem Schwarzen Loch lernen. Außerdem sind seit dem Bild einige alternative Theorien zu Schwarzen Löchern nicht mehr haltbar und die Einstein‘sche Gravitationstheorie bleibt bestätigt.

Humboldt-Stiftung: Wer war alles an dem Bild beteiligt und welche Rolle haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen dabei gespielt?
Anton Zensus: Am Bild hat ein internationales Team von über 200 Personen mitgewirkt. Darunter Ingenieure, Teleskopoperateure, erfahrene Astrophysiker für Kalibration und Datenauswertung, numerische Astrophysiker für Simulationen und so weiter. Mit einem begeisterten Team war es möglich, alle Stücke des Puzzles zusammenzubringen. Unser Institut und meine Arbeitsgruppe haben sich besonders in der Ausrüstung der Teleskope, der Durchführung der Experimente, der Verarbeitung der Daten mit unserem Hochleistungsrechner (Korrelator) sowie in der Bildgebung, theoretischen Deutung und in ergänzenden Simulationen, die für ein volles Verständnis der Physik notwendig waren, engagiert. Ich selber bin daneben Vorstandsvorsitzender der Kollaboration und fühle mich verantwortlich für die manchmal herausfordernde Steuerung und Führung einer Kollaboration mit vielen Instituten auf vier Kontinenten.

Humboldt-Stiftung: Hat das Foto Ihnen neue Impulse für Ihre Arbeit gegeben? Wie geht es jetzt weiter?
Anton Zensus: Selbstverständlich. Das war nur der Anfang! Wir arbeiten jetzt daran, ein erstes Bild und bald vielleicht auch einen Film des nächstgelegenen supermassereichen Schwarzen Loches zu erstellen, und zwar im Zentrum der Milchstraße, genannt Sgr A* (Sagittarius A Stern). Außerdem erfassen wir gerade die polarisierte Strahlung im Umfeld des Schwarzen Loches in M 87. Diese schwierige Arbeit ist mit technischen und methodischen Herausforderungen verbunden. Um unsere bisherigen Ergebnisse zu bestätigen und zu verbessern, bereiten wir zudem neue Messungen für den Frühling 2020 vor – diesmal mit einem erweiterten Verbund von Teleskopen.

Der Radioastronom Professor Dr. Anton Zensus im Steuerungsraum des Radioteleskops Effelsberg in der Eifel. Anton Zensus ist Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, erhielt 1994 den Humboldt-Forschungspreis und 1999 den Max-Planck-Forschungspreis. Er ist Vorstandsvorsitzender der Event Horizon Telescope Kollaboration, die das erste Bild eines Schwarzen Loches mit einem erdumfassenden Zusammenschluss von Teleskopen aufgenommen hat.
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