Humboldtianer*innen persönlich

Über alle Berge

Das Bild zeigt mich beim Laufen in den Bergen von Grenoble, wo ich 23 Jahre gelebt habe. Die Stadt ist umgeben von vier Berggipfeln. Ein ideales Terrain für meine Sportart: das Bergrennen.

  • vom 
  • Von Wolfgang Wernsdorfer (aufgezeichnet von Teresa Havlicek)
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

Wolfgang Wernsdorfer forscht seit 2016 als Alexander von Humboldt-Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Vorher war der Physiker Directeur de recherche première classe am Institut NÉEL im französischen Grenoble.

Wolfgang Wernsdorfer

Sport mache ich schon seit meinem Physikstudium – neben dem Lernen und dem Forschen brauche ich einen Ausgleich. Nur die Sportarten haben sich über die Jahre geändert. Ich bin lange Rad gefahren, aber das ist mir in den Bergen mit der Zeit zu gefährlich geworden. Also habe ich angefangen zu laufen. Doch das fand ich immer nur so lange spannend, bis ich auf den Gipfeln ankam. Einmal oben, musste ich immer gleich ans Labor denken und wollte schnell wieder runter. Aufs Bergrennen bin ich durch einen Doktoranden gekommen. Der war zu einem Labortreffen in den Bergen nicht wie wir anderen mit dem Bus gekommen, sondern gerannt. Das hat mich neugierig gemacht und ich bin mal mit ihm mitgelaufen. Ich war gar nicht so schlecht, dafür dass ich 15 Jahre älter bin. Da habe ich angefangen zu trainieren, auch wegen der kleinen Ehrgeizsache, die ich habe.

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Heute laufe ich jedes Jahr mehrere Rennen. Die längsten Bergrennen sind die 100-Meilen-Rennen. Da geht es 11.000 Meter hoch und wieder runter. Das klingt nach Quälarbeit, aber Rennen in den Bergen ist anders als beispielsweise Marathonlaufen. Beim Marathon zählt nur die Zeit. Beim Bergrennen geht es um die Kraft, die man verbraucht.

Die Rennen dauern zum Teil Tage. Man muss ganz genau darauf achten, wie viel Energie man einnimmt, was man isst und trinkt, dass man auch mal ruht und schläft. Am besten geht man das wissenschaftlich an: Wenn man weiß, was der eigene Körper braucht und wie er funktioniert, kann man sein Rezept finden, um zu vermeiden, dass man in die Fallen des Bergrennens tappt und ab einem bestimmten Punkt Magenschmerzen bekommt, sich Blasen läuft oder zu viel Wasser verliert. Das ist eigentlich wie Forschen: Man muss die Grenzen suchen, kennen und überschreiten.

Ich fühle mich beim Rennen wie in einer anderen Welt. Man läuft los, der Körper arbeitet sehr stark, das stimuliert den Kopf und dann denkt man über alle möglichen Sachen nach. Die meisten Strecken läuft man ja regelmäßig. So sieht man, wie sich die Natur über die Jahreszeiten hinweg verändert. Ich erinnere mich an all meine Rennen noch sehr genau, auch wenn sie schon Jahre zurückliegen. Jede Stunde hat sich eingeprägt. Das ist schon sehr besonders, das habe ich nicht oft im Leben. 

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