Humboldtianer Persönlich

Die Kluft überwinden

Das Bild zeigt mich auf dem Tempelhofer Feld in Berlin bei der Vorbereitung für ein Soapbox Science-Event, das ich dort mitorganisiert habe. Mit Soapbox Science präsentieren wir Wissenschaft einem breiten Publikum und machen Frauen als Wissenschaftlerinnen sichtbarer: Frauen stellen bei den Events ihre Forschung in kurzen Vorträgen vor, allgemein verständlich, in einfachen Worten, an öffentlichen Plätzen, wo möglichst viele Menschen vorbeikommen.

  • Von Carolina Doran, aufgezeichnet von Teresa Havlicek
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

Die portugiesisch-brasilianische Biologin Carolina Doran ist Humboldt-Forschungsstipendiatin am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Zuvor wurde sie an der University of Bristol, Vereinigtes Königreich, promoviert.

Foto von Carolina Doran
Carolina Doran

Soapbox Science ist angelehnt an die Tradition des Speakers᾿ Corner im Hyde Park in London, wo Soapbox Science auch entstanden ist. Auch bei uns stehen die Rednerinnen auf Holzkisten (im Englischen soapboxes), wie ich auf dem Bild eine herumtrage. Das Event auf dem Tempelhofer Feld 2017 war das erste in Deutschland und wurde von mir mit initiiert, nachdem ich als Postdoktorandin von Großbritannien nach Deutschland gekommen war.

Nachrichten aus der Stiftung 

Dass ich mich hierfür engagiere, ist für mich selbstverständlich: Ich halte ein gewisses wissenschaftliches Grundverständnis für absolut wichtig für gesunde Gesellschaften. Die Kluft zwischen dem, was die Menschen denken, was Wissenschaftler machen, und dem, was sie tatsächlich tun, ist oft sehr groß. Um sie zu schließen, müssen wir als Wissenschaftler stärker kommunizieren, wie und woran wir arbeiten. Das befähigt die Menschen auch zu einer kritischeren eigenen Einschätzung. Wer etwas über Wissenschaft weiß, kann besser hinterfragen, wie seriös es ist, wenn jemand daherkommt und beispielsweise behauptet zu wissen, wie man jede Form von Krebs in zehn Jahren heilen kann.

Der Gender-Aspekt ist mir ein großes Anliegen. Bei dem Thema gibt es nach wie vor viel Informationsbedarf. So war es bei mir selbst auch. Ich habe mich immer für die Rolle von Frauen in der Wissenschaft interessiert. Wie groß die Ungleichheit tatsächlich ist, die Zahlen und Fakten waren mir aber nicht bewusst, bis der Equality Act 2010 in Großbritannien in Kraft trat. Seitdem müssen die Universitäten nachweisen, wie es um die Gleichstellung von Geschlechtern, Ethnien oder Religionen bei ihnen bestellt ist. Vieles wurde mir durch diese Initiative erst klar. Zum Beispiel, was die Rollenverteilung in Laborteams angeht – und dass es gar nicht so selbstverständlich ist, wenn Frauen im Team automatisch das Administrative übernehmen oder gar das Kaffeekochen, wie ich es bis dahin hingenommen hatte. Deshalb gefällt mir Soapbox Science auch so gut: Frauen treten hier ausschließlich mit ihrer Forschung in Erscheinung.

 

aus Humboldt Kosmos 109/2018

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