Nachgefragt

Herr Yetisen, was lesen Sie aus unseren Tränen?

Viele Zuckerkranke müssen sich mehrmals am Tag in den Finger stechen und Blut abnehmen, um ihren Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Wie viel angenehmer wäre es, stattdessen Fotos vom Auge zu machen? Der Chemieingenieur Ali Yetisen zeigt: Kontaktlinsen können als Sensoren im Auge fungieren.

  • Von Jan Berndorff
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

Dr. Ali K. Yetisen von der Harvard University, USA, ist Humboldt- Forschungsstipendiat an der Technischen Universität München.

Ali Yetisen
Ali Yetisen

Die Methode nutzt die Tatsache, dass Tränenflüssigkeit genauso wie Blut zahlreiche Biomarker, also Stoffe wie Glukose oder Elektrolyte enthält, deren Konzentration Aufschluss über den Gesundheitszustand gibt. „Neben Diabetes lassen sie zum Beispiel auf grünen Star und andere Augenleiden schließen. Auch Nieren- und Leberschwächen sind frühzeitig erkennbar“, sagt Yetisen. Doch wie kommt man an die Tränen? Yetisens Lösung: Kontaktlinsen werden per Laser speziell präpariert; über feine Kanäle wird die Tränenflüssigkeit in winzigen Hohlräumen gesammelt. „Sie befinden sich am unteren Rand der Linse außerhalb des Sichtfelds“, erklärt er. In winzigen Strukturen durchläuft die Flüssigkeit eine Art Testparcours, in dem sich bestimmte Stoffe je nach Gehalt der verschiedenen Biomarker verfärben. Das funktioniert ähnlich wie ein Teststreifen, mit dem man die Qualität von Wasser messen kann. Die Intensität der Farben zeigt die Menge der Biomarker an. Die Messung läuft ganz ohne Elektronik. Nur die Farbanalyse übernimmt eine Smartphone-App. Dafür macht der Patient ein Foto von der Linse in seinem Auge. 

Nachrichten aus der Stiftung 

Dass die Methode funktioniert, hat Yetisen bereits nachgewiesen. Bis man solche Kontaktlinsen kaufen kann, vergehen aber sicher noch mehrere Jahre: „Für eine Zulassung müssen sie noch einige Sicherheitsetappen und klinische Studien durchlaufen.“

 

aus Humboldt Kosmos 109/2018

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