Humboldtianer*innen persönlich

Was academic moms alles wuppen

Forschung, Lehre und ein Baby Zuhause: „Eigentlich wollte ich einige Monate in Mutterschutz gehen. Zehn Tage nach der Geburt saß ich wieder am PC.“

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  • Aufgezeichnet von Teresa Havlicek
Catherina Becker mit Kind am Schreibtisch
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

CATHERINA G. BECKER

Professorin Dr. Catherina G. Becker ist seit 2021 Humboldt-Professorin an der Technischen Universität Dresden. Zuvor forschte die Neurobiologin an der ETH Zürich, Schweiz, an der University of California in Irvine, USA, am Zentrum für Molekulare Neurobiologie in Hamburg und an der University of Edinburgh, Vereinigtes Königreich.

Humboldt-Professorin Catherina G. Becker

Das Foto ist mehr als 20 Jahre alt, das Baby darauf ist inzwischen 1,94 Meter groß und studiert Informatik. Ich habe es vor einiger Zeit auf Twitter in einer Diskussion unter „academic moms“ geteilt, wie sie das alles wuppen: Forschung, Lehre, ein Baby zu Hause und dazu die ganze Administration, dieses „well-kept secret“, auf das einen keiner vorbereitet, wenn man erstmals eine Professur antritt. Ich erzähle meine eigene Geschichte nicht nur, um anderen Mut zu machen. Ich erzähle sie auch in Auswahl- und Berufungsgremien, in denen ich sitze. Mir ist wichtig klarzumachen: Ein halbes Jahr Babypause kann nach wie vor das eine Paper weniger bedeuten, das bei einem Drittmittelantrag ausschlaggebend ist. Das ist wie Zins und Zinseszins, solche Ungleichheiten im Lebenslauf wirken fort, bei Nominierungen und bei Berufungen.

Als mein Sohn, das Baby auf dem Bild, geboren wurde, saß ich an meiner Habilitation. Eigentlich wollte ich einige Monate in Mutterschutz gehen und den Rest meines Habilitations-Stipendiums in Teilzeit dranhängen. Das war vom Drittmittelgeber nicht vorgesehen, also habe ich weitergearbeitet. Zehn Tage nach der Geburt saß ich wieder am PC. Als meine Tochter vier Jahre zuvor auf die Welt kam, hatten mein Mann und ich darauf gespart, dass ich vier Monate aussteigen konnte. Finanzielle Unterstützung gab es für uns damals nicht. Es ist ermutigend zu sehen, dass sich da viel geändert hat. Zugleich ist es ernüchternd, dass sich an der Situation von Frauen etwa auf der Ebene der Professuren immer noch wenig tut.

Es ist gut, dass durch die Coronapandemie mit Homeschooling etc. offener über die Belastung von Eltern und insbesondere von Frauen gesprochen wird. Ich beobachte vor allem beim Mindset oft nach wie vor eine Schieflage: Es geht schon bei der Frage los, wie Aufgaben in der Familie verteilt sind, wer zurücksteckt und wer Karriere macht. Oft wird als „natürlich“ angesehen, dass die Frau „erstmal“ zu Hause bleibt. Ich sehe immer noch viele Frauen, bei denen es mit der Promotion am Ende doch nicht klappt, weil das Umfeld sie nicht unterstützt.

Mein Appell an uns alle ist, genauer hinzuschauen. Statt bei Auswahlentscheidungen nur die Publikationen zu zählen, können wir fragen: Welche Geschichte erzählt eine Forschungsarbeit? Behandelt sie ein interessantes Problem? Welches wissenschaftliche Potenzial zeigt sich? Und großzügig unterstützen, Referenzen geben, ermutigen. Damit meine ich nicht, willkürlich Leute zu fördern. Mir geht es darum, sich auf eventuelle Scheren im Kopf zu hinterfragen und aufmerksam zu sein: Wer hat eine Vision? Wer stellt wichtige Fragen? Schließlich hatten wir alle meist selbst auch das Glück, jemanden getroffen zu haben, der*die uns gesehen, bestärkt, gefördert hat. Das alles kann helfen, dieses eine Paper weniger auszugleichen.

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