Schwerpunkt

Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht

Die Interventionsforschung fragt, welche Strategien gegen Klimawandel und Infektionskrankheiten helfen.

  • vom 
  • Text: Jan Berndorff
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

Till Bärnighausen

Der deutsche Epidemiologe Professor Dr. Till Bärnighausen ist Direktor des Heidelberg Institute of Global Health am Universitätsklinikum Heidelberg. 2017 wurde er mit der Alexander von Humboldt-Professur ausgezeichnet.

Humboldt-Professor Till Bärninghausen
Alexander von Humboldt-Professur

Die planetare Gesundheit, die individuelle Gesundheit der Menschen sowie soziale Gerechtigkeit – das sind für den Humboldt-Professor Till Bärnighausen die drei großen globalen Herausforderungen in den nächsten Jahrzehnten. Und sie hängen eng zusammen: „Wenn wir die natürlichen Ressourcen der Erde aufbrauchen oder zerstören, also etwa Luft und Wasser verschmutzen und Wälder abholzen, dann hat das auch einen negativen Einfluss auf unsere körperliche und seelische Gesundheit.“ Und natürlich führt eine Verknappung der Ressourcen auch zu sozialen Problemen. Allerdings, so Bärnighausen, können etwa Fortschritte bei der Gesundheit des Menschen durchaus auch auf Kosten der planetaren Gesundheit gehen, wenn zum Beispiel eine bessere Ernährungsversorgung durch umweltschädliche Intensivlandwirtschaft erreicht wird.

Als Direktor des Heidelberger Instituts für Global Health (HIGH) arbeitet Bärnighausen unmittelbar an Lösungen für diese Herausforderungen und ihre Wechselwirkungen. Zum Thema Klimawandel und Pandemien hat Bärnighausen zuletzt ein großes Symposium mitorganisiert: Der Klimawandel sorgt nicht nur für Hitze, Sturm und Starkregen, die unmittelbare Gefahr für unser Leben bedeuten. Er bedroht auch indirekt unsere Gesundheit, indem er die Wahrscheinlichkeit von Pandemien steigert. Etwa durch die Ausbreitung exotischer Stechmücken in Europa, die gefährliche Krankheiten wie das West-Niloder Dengue-Fieber oder Malaria übertragen können.

Tigermücken lieben Barcelona

2005 tauchte etwa das erste Exemplar der Asiatischen Tigermücke in Barcelona auf. In den vergangenen Jahren gab es bereits Ausbrüche des von ihr übertragenen Chikungunya-Fiebers. Bärnighausen, der dazu mit seinem Team und Partnern vor Ort ein Projekt durchführt, sieht einen Lösungsansatz in der Kanalisation. Diese stammt in Barcelona zum Teil noch aus der Römerzeit und ist eine ideale Brutstätte für die exotischen Mücken, die sich in der feuchtwarmen Dunkelheit pudelwohl fühlen. „In den eckigen Kanälen, die an vielen Stellen für stehendes Wasser sorgen, gedeiht der Mückennachwuchs. Diese sollen nun durch kurvige Kanäle ersetzt werden, damit das Wasser überall abfließen kann.“ Regelmäßig wird geprüft, ob die Maßnahmen den gewünschten Effekt haben, etwa indem durch das Aufstellen von Mückenfallen die Populationsdichte gemessen wird.

Der Regierung fehlt es etwas an Experimentierfreude.
Till Bärnighausen, Direktor des Heidelberg Institute of Global Health

Bärnighausens Institut ist auf diese sogenannte Interventionsforschung spezialisiert und darin weltweit führend. Er würde sich wünschen, dass mehr Institutionen es ihm nachtun: „Nicht nur in der Gesundheitsforschung, sondern in Politik, Entwicklungshilfe, Klimaschutz – überall sollte stets wissenschaftlich fundiert überprüft werden, ob ein Eingriff in ein System auch tatsächlich positive Wirkungen hat.“ Die Medizin, in der die Evidenz als Basis für Fortschritt heute Standard ist, sei da ein Vorreiter.

Bärnighausen adressiert dabei auch die deutsche Regierung: „Da fehlt etwas die Experimentierfreude, um neue Lösungsansätze auszuprobieren, wie ich das zum Beispiel in Afrika erlebe, wenn es darum geht, HIV einzudämmen.“ Die Einführung von AIDS-Selbsttests etwa habe erstaunlich gut gewirkt, weil viele Menschen sich schämen, zum Arzt zu gehen.

Schneller zu Lösungen durch KI

Um zu erforschen, welche Lösungsansätze zum Erfolg führen, braucht es Unmengen an Daten. Um dieser Herr zu werden, arbeitet Bärnighausen mit dem Kollegen Joacim Rocklöv zusammen, dem zweiten Humboldt- Professor an seinem Institut. Der Mathematiker ist KI-Spezialist und modelliert unter anderem die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Infektionskrankheiten am Computer. So gehen Medizin, Sozial- und Computerwissenschaften am HIGH sozusagen eine Symbiose ein.

„Als gelernter Medizinhistoriker weiß ich, dass die Menschen in der Geschichte immer wieder gute Lösungen für die Herausforderungen ihrer Zeit gefunden haben“, sagt Bärnighausen „Mit Interventionsforschung und den neuen technischen Möglichkeiten gelingt uns das jedoch noch erheblich schneller und nachhaltiger.“

vorheriger Artikel Ein Eldorado der Forschung — und der Bürokratie
nächster Artikel Frau Madariaga Marcos, wie machen Sie die Genschere besser?