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Cynthia Miller-Idriss
Professorin Dr. Cynthia Miller-Idriss ist Expertin für Extremismus und Radikalisierung. Sie lehrt und forscht an der School of Public Affairs der American University in Washington, D.C. Im Sommer 2022 übernahm die ehemalige Bundeskanzler-Stipendiatin die Leitung des Humboldt Residency-Programms zum Thema „Sozialer Zusammenhalt“.
Die Zukunft der Demokratie ist, was Cynthia Miller-Idriss umtreibt. Die für sie größte Aufgabe unserer Zeit: den sozialen Zusammenhalt erhalten. „Gesellschaftlich gesehen stehen wir heute vor größeren Herausforderungen für die Demokratie als etwa vor 20 Jahren“, sagt die US-amerikanische Extremismusforscherin. „Die Stabilität demokratischer Systeme und der soziale Zusammenhalt werden durch die Verbreitung von Desinformation und Propaganda untergraben“, sagt Miller-Idriss.
Mit umfassenden Konsequenzen: „Die Anfälligkeit der Menschen für Verschwörungserzählungen beeinflusst Wahlergebnisse und erodiert das Vertrauen in staatliche Institutionen, ebenso wie das in Forschung und Wissenschaft.“ Das wiederum verstärke systemischen Rassismus und Frauenfeindlichkeit oder bewirke, dass manche Menschen nicht bereit seien, die Klimakrise als Realität anzuerkennen oder sich in einer globalen Gesundheitskrise wie zu Zeiten der Coronapandemie solidarisch zu verhalten. All das führe zu einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung.
Kein Zurück für Verschwörungsgläubige
In dem von ihr gegründeten Polarization and Extremism Research & Innovation Lab (PERIL) an der American University in Washington, D.C. beschäftigt sich Miller-Idriss deshalb mit der Frage, wie man Menschen resilienter gegen Verschwörungserzählungen machen kann. „Ich kenne keine Belege dafür, dass man jemanden, der bereits an Verschwörungsmythen glaubt, wieder zurückkonvertieren kann“, sagt die Politikwissenschaftlerin. „Aber wir können in unseren Experimenten klar zeigen, dass Aufklärung Menschen präventiv davon abhalten kann, an solche Erzählungen zu glauben und sich zu radikalisieren.“
Dazu sei es von zentraler Bedeutung, die Menschen mit den passenden Werkzeugen auszustatten, um Propaganda zu durchschauen, sagt Miller-Idriss. Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt und testet sie dafür beispielsweise 30-sekündige Videos, gedacht für den öffentlichen Raum, die die Mechanismen von Propaganda und Desinformation erklären. Furchteinflößende Musik, Farben und Bilder, die Angst und Unwohlsein auslösen, aber auch auf Manipulation angelegte Rhetorik und spezifische Schlagworte könnten leichter identifiziert werden, sagt Miller-Idriss, wenn man wisse, worauf man achten müsse. „Videobasierte Impfung“ nennt sie dieses Konzept. Solche Videos können auf Social-Media-Plattformen verbreitet werden, aber auch auf öffentlichen oder halböffentlichen Bildschirmen und digitalen Werbetafeln, wie zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr.
Für ihre Ideen und Expertise wird Miller-Idriss auch außerhalb des Wissenschaftsbetriebs geschätzt. Sie spricht regelmäßig vor dem US-Kongress oder informiert Politik, Bildungseinrichtungen, Sicherheits- und Geheimdienste in den USA und anderen Ländern sowie die Vereinten Nationen über neue extremistische Entwicklungen und zu möglichen Präventionsstrategien. Im September 2022 erst war Miller-Idriss im Weißen Haus zu Gast und hielt eine Rede bei der von US-Präsident Joe Biden initiierten „United We Stand“-Konferenz zur Bekämpfung von durch Hass angestachelter Gewalt.
Als wichtigen Impulsgeber für ihre Arbeit nennt Miller-Idriss das Humboldt Residency-Programm. Ein Programm, bei dem von der Humboldt-Stiftung geförderte und andere Forschende zusammen mit Personen aus den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft und Journalismus an einem gemeinsamen Thema arbeiten. Im Sommer 2022 hat Miller-Idriss das Programm zum Thema „Sozialer Zusammenhalt“ geleitet.
Wann Zusammenhalt schadet
„Ein wichtiger Punkt, der in den Diskussionen aufkam, war, dass es – bei aller Bedeutung des sozialen Zusammenhalts – auch ein Zuviel davon geben kann“, sagt Miller-Idriss. Einerseits sei der soziale Zusammenhalt derzeit durch Verschwörungserzählungen, Propaganda und Desinformation akut bedroht. Gleichwohl könne zu viel Homogenität in einer Gesellschaft auch schädlich sein, weil eine Gesellschaft auch von Abweichung und der Unterschiedlichkeit verschiedener Gruppen lebe. „Sozialer Zusammenhalt muss Minderheiten mit einschließen, ohne diese zwanghaft assimilieren zu wollen“, betont die Wissenschaftlerin.