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2025 – Wissenschaft stärken in herausfordernden Zeiten

Für eine resiliente Wissenschaft: In seiner Neujahrsbotschaft gibt Präsident Robert Schlögl Einblick in die Pläne der Stiftung für das Jahr 2025.

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Sehr geehrte Damen und Herren, 
liebe Freund*innen und Förder*innen,  

2025 wird in vielerlei Hinsicht ein spannendes Jahr. Denn es ist per se nicht falsch, was ich kürzlich in der Buchankündigung eines renommierten Sachbuchverlags las: „Wahlen entscheiden über das Schicksal von Demokratien. Das ist heute wieder so bewusst, wie lange nicht. Kommen die Falschen in höchste Ämter, können Demokratien scheitern.“

Es ging allerdings um die Reichstagswahl vor 100 Jahren, durch die Paul von Hindenburg Reichspräsident wurde. 

1925 – das war auch das Jahr, in dem der spätere, erste Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung Werner Heisenberg die mathematische Formulierung der Quantenmechanik vorlegte. Es folgte die Heisenbergsche Unschärferelation mit dem Konzept der „Kontingenz“. Ein Begriff, der in den Geisteswissenschaften selbstverständlich ist. Gemeint ist die Möglichkeit, dass etwas eintritt oder auch nicht, oder dass es grundsätzlich anders sein könnte als es ist, bzw. scheint. Geschichte ist nicht determiniert. Historische Konstellationen mögen Parallelen aufweisen und unterscheiden sich doch. Wir brauchen Geschichtsbewusstsein, aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Zukunft offen ist. Es liegt an uns, sie zu gestalten.

Das Wissenschaftsjahr 2025 widmet sich den Zukunftsenergien als unverzichtbarer Grundlage jeglichen gesellschaftlichen Handelns. Dieses Thema kann nur international und in Kooperationen aller wissenschaftlichen Disziplinen von Natur- über Sozial- zu Humanwissenschaften angepackt und kommuniziert werden. Es ist somit ein Kernthema für die Alexander von Humboldt-Stiftung mit ihrem integrierenden Ansatz, Spitzenwissenschaftler*innen aus aller Welt und über alle Disziplinen zusammenzubringen.

Wissenschaftsfreiheit im Wettbewerb der Systeme bleibt die entscheidende Grundlage für herausragende und neue Erkenntnisse, die wir als Voraussetzung für die Bewältigung der zahlreichen Krisen in dieser Zeit benötigen. Die Alexander von Humboldt-Stiftung tritt nachdrücklich für die Bewahrung der Wissenschaftsfreiheit ein und beteiligt sich zugleich intensiv an der Diskussion zur Forschungssicherheit.

Dabei verschließen wir nicht die Augen davor, dass demokratische Verhältnisse in unserer Gegenwart weltweit bedroht sind. Dennoch gilt auch für das Jahr 2025 der Leitsatz von Karl Raimund Popper: „Optimismus ist Pflicht!“ Wir dürfen uns nicht von Schwarzmalerei lähmen lassen. Ein Jeder und eine Jede von uns kann die Zukunft gestalten. Immer noch. Unbedingt.

Resiliente Wissenschaft für eine Welt im Wandel

Nicht ohne Grund trägt unsere neue Strategie den Titel „Resiliente Wissenschaft für eine Welt im Wandel“.  Im Jahr 2025 werden wir diese konsequent umsetzen. Mit den vier folgenden Schwerpunkten tragen wir zur Resilienz der offenen Gesellschaft bei:

  • Science Diplomacy nach innen und außen

Im Rahmen einer klassischen Science Diplomacy steht die Humboldt-Stiftung für die Vermittlung freiheitlicher Werte und für die Nutzung individueller, vertrauensvoller Kontakte für die Kommunikation zwischen Staaten, gerade wenn offizielle Kanäle nicht mehr funktionieren. Wir bringen jährlich über 900 der klügsten Köpfe aus aller Welt nach Deutschland. Mit ihnen kommen neue Ideen und Inspirationen. So stärken wir nachweislich den Wissenschaftsstandort Deutschland und schaffen gleichzeitig einen Resonanzraum für demokratische Werte anderswo. Wir werden nachhalten, in welchem Maße es uns gelingt, auch durch die verstärkte Ansprache von Wissenschaftlerinnen das Netzwerk auszubauen und zu diversifizieren.

Besondere Herausforderungen liegen gerade jetzt in der rasanten Entwicklung der politischen Verhältnisse im Nahen Osten, für deren Resilienz die gesellschaftsgestaltende Kraft der Wissenschaft von großer Bedeutung ist; und in den zu erwartenden Einschränkungen der wissenschaftlichen Freiheit in den USA, der wir die vereinte Unterstützung unseres Netzwerks gegenüberstellen wollen.

  • Netzwerke erzeugen Resilienz

Die großen Menschheitsprobleme erfordern eine globale Herangehensweise und Multiperspektivität: Nicht nur im Kampf gegen den Klimawandel setzen wir auf die Kraft des weltweiten Humboldt-Netzwerks. Die Reichweite unseres Netzwerks ist einzigartig; das Wissen im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos; es bietet die Möglichkeit, globale Problemstellungen durch lokale Expertise zu adressieren. Diese wollen wir vor allem in den Ländern des globalen Südens vor Ort weiter stärken und für die dortigen Gesellschaften ausschöpfen, was letztlich der Weltgemeinschaft zugutekommt. Dafür brauchen wir die Politik im Sinne einer Diplomacy for Science, damit Wissenschaftskooperationen zwischen hiesigen Gastgeber*innen und Expert*innen weiterhin gedeihen und ausgebaut werden können, beispielsweise in Afrika.

  • Wissenschaftsfreiheit stärken

3,6 Milliarden Menschen, fast die Hälfte der Weltbevölkerung, leben laut des Academic Freedom Index in Ländern mit vollständig eingeschränkter Wissenschaftsfreiheit. Die Humboldt-Stiftung setzt sich weiterhin mit aller Kraft für die Wissenschaftsfreiheit ein. Mit Sorge nehmen wir wahr, dass sich die Antragszahlen in unserem Schutzprogramm, der Philipp Schwartz-Initiative, seit 2021 verdoppelt haben und beständig hoch bleiben. Aber wir sind froh, dass seit der Gründung des Programms mehr als 550 Philipp Schwartz-Fellows aus 26 Ländern ihre Arbeit in Sicherheit an mehr als 130 deutschen Einrichtungen fortsetzen konnten. Zudem hat sich die Initiative als Vorbild für weitere Schutzprogramme in Europa erwiesen. Wir werden unseren Einsatz für Wissenschaftsfreiheit und Demokratie auch durch Schutz- und Sonderprogramme für afghanische, iranische und ukrainische Forschende fortsetzen. Auch in diesem Punkt setzen wir auf Ihre Unterstützung.

  • Politik- und Gesellschaftsberatung ausbauen: Science in Diplomacy

Eine Wissenschaft, die von der Gesellschaft getragen wird, hat die Pflicht, ihr Wissen zugänglich zu machen. Neben etablierten Programmen, mit denen wir Wissenschaftskommunikation fördern, wie dem Communication Lab (ComLab), wollen wir im Jahr 2025 auch die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik stärken. 2025 bringen wir mit dem Humboldt Placement Scheme Expert*innen aus der Wissenschaft mit Entscheidungsträger*innen in der (außen)-politischen Sphäre zusammen. Das ermöglicht Capacity-Building auf beiden Seiten.

Zum Schluss noch einmal zurück zu Karl Raimund Popper, dessen Lebenswerk aus der Erfahrung des Faschismus erwuchs: Wie kein anderer hat der österreich-britische Philosoph dargelegt, dass die offene Gesellschaft untrennbar mit der Wissenschaft verbunden ist. Beide bestehen zurecht auf ihrer Unabhängigkeit und bedingen einander doch, das jeweilige Gedeihen hängt voneinander ab. Die Demokratien kennzeichnet ebenso wie die Wissenschaft die Bereitschaft, das Erreichte kritisch zu betrachten und aus Fehlern zu lernen. Die Wissenschaft weiß, ihr Wissen ist immer nur vorläufig.  Es ist eine politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, auszuhandeln, auf welche Art und Weise dieses Wissen angewendet werden soll.

Demokratie braucht pluralistische Medien. Die Humboldt-Stiftung hat sich schon seit einiger Zeit kritisch mit einer lang geschätzten Kommunikationsplattform auseinandergesetzt. Mit diesem neuen Jahr werden wir sie verlassen. Die Rede ist von X, vormals Twitter. Wir sehen unsere Werte dort nicht mehr gewahrt. Wir suchen mit den Social-Media-Kanälen Bluesky und LinkedIn nach besseren Wegen der Kommunikation mit Ihnen, um auch in Zukunft im Austausch zu bleiben.

Lassen Sie uns also weiterhin in gemeinsamer Verantwortung im jeweils eigenen Handlungsfeld für die freiheitliche Grundordnung und eine resiliente Wissenschaft einstehen. Wir werden weiterhin exzellente Forschende auf der ganzen Welt miteinander in Kontakt bringen. Dabei entsteht aktuelles Wissen über gesellschaftliche und politische Befindlichkeiten jenseits des fachlichen Austausches, das wir verstärkt in den politischen Diskurs einbringen werden.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Liebsten ein frohes neues Jahr!

Ihr Robert Schlögl
Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung

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