
Der Sonnentempel von Konark im indischen Bundesstaat Odisha beeindruckt die Humboldt-Stipendiatin und Bauingenieurin Sai Kala Kondepudi immer wieder. „Es fasziniert mich, dass dieser Tempel, der im 13. Jahrhundert gebaut wurde, noch immer so intakt ist.“ Das riesige Bauwerk bildet ein Motiv der hinduistischen Mythologie nach und symbolisiert den Wagen, mit dem der Sonnengott Surya von sieben Pferden gezogen durch den Himmel fuhr. „Insbesondere in den 24 in Stein gemeißelten Wagenrädern, zeigt sich eine unglaubliche Anwendung von Geometrie. Der Tempel besteht aus einer Art Granitgestein, durch das die aufwändigen Schnitzereien bis heute perfekt erhalten sind“, sagt Sai Kala Kondepudi.
Sobald ich das leise Summen meines 3D-Druckers höre, spüre ich eine Art stille Aufregung. Es ist wunderbar zu sehen, wie etwas Neues Gestalt annimmt.
Forschung fürs Klima
Als Humboldt-Forschungsstipendiatin im Team von Host Viktor Mechtcherine forscht sie am Institut für Baustoffe der Technischen Universität Dresden zu nachhaltigem Baustoffdesign. „Herkömmliche zementbasierte Baustoffe verursachen hohe Treibhausgasemissionen. Mit der Entwicklung CO2-armer Baumaterialien, möchte ich zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen.“ Im Labor entwickelt sie verschiedene Baustoffmischungen aus natürlichen Ressourcen wie Ton oder Holzasche, aber auch aus Schlacke, einem Nebenprodukt der Stahlindustrie und optimiert diese für digitale Bauverfahren. „Sobald ich das leise Summen meines 3D-Druckers höre, spüre ich eine Art stille Aufregung. Es ist wunderbar zu sehen, wie etwas Neues Gestalt annimmt.“
Als Kind liebte Kala es, Gebäude zu zeichnen und ihre ferngesteuerten Spielzeugautos zu reparieren. Als Jugendliche faszinierten sie Baustellen. „Ich war sehr neugierig und wollte wissen, wie Brücken oder Häuser entstehen. Zu beobachten, wie Markierungen für Grundrisse gesetzt und unterschiedliche Materialien zusammengefügt wurden, um daraus etwas Solides und Dauerhaftes zu schaffen, hat mich tief beeindruckt.“
Familiäre Unterstützung
Die Neugierde und den Wunsch, etwas zu erschaffen empfindet sie heute als Herzstück ihrer Arbeit. „Im Bauingenieurwesen geht es darum, praktische Probleme zu lösen. In meiner Forschung probiere ich so lange neue Dinge aus, bis ich eine Lösung finde“, so Kala. Sie stammt aus einer Familie, die teils im Bauwesen tätig war. Ihr Vater prüfte Vermessungsakten, um Kostenvoranschläge für Bauprojekte zu erstellen, ihr Cousin arbeitete im Bereich der Gebäudeplanung. „Meine Familie hat mich immer bestärkt. Insbesondere mein Vater, den ich leider vergangenes Jahr verlor, war mein Mentor und hat mich in jeder schwierigen Phase begleitet.“ In ihrem Fachbereich war Kala eine von wenigen Frauen. „Das war nicht immer leicht. Es gab Zeiten, in denen ich mit Zweifeln und Skepsis konfrontiert war. Doch ich hatte Menschen um mich, die an meine Arbeit glaubten und mich ermutigten, weiterzumachen.“
Durch mein Stipendium wurde ich Teil einer unterstützenden Gemeinschaft, die Innovation und lebenslanges Lernen fördert. Das trägt zu meiner persönlichen Weiterentwicklung und zu meinem wissenschaftlichen Fortschritt bei. Humboldtianerin zu sein, ist eine einmalige Chance.
Starkes Netzwerk
Was Kala sich für Frauen in der Wissenschaft wünscht: „Es sollte mehr strukturell verankerte Mentorenprogramm für Frauen in MINT-Fächern geben und mehr Frauen, die Führungspositionen in Wissenschaft und Industrie besetzen.“ Jungen Wissenschaftler*innen, will sie sagen: „Habt Vertrauen in eure Fähigkeiten, geht euren Leidenschaften nach, ohne zu zögern! Scheut euch nicht, Mentoren zu suchen und ein starkes Netzwerk aufzubauen.“ Wie entscheidend ein unterstützendes Netzwerk auf dem Weg in die Wissenschaft sein kann, hat Kala selbst erlebt – in ihrem persönlichen Umfeld und als Humboldt-Stipendiatin. „Durch mein Stipendium wurde ich Teil einer unterstützenden Gemeinschaft, die Innovation und lebenslanges Lernen fördert. Das trägt zu meiner persönlichen Weiterentwicklung und zu meinem wissenschaftlichen Fortschritt bei. Humboldtianerin zu sein, ist eine einmalige Chance.“
Noch bis Oktober 2025 forscht Kala in Dresden. Danach will sie entweder in Europa, Australien oder in Indien weiter zu nachhaltigen Baumaterialien forschen und eigene Forschungsprojekte leiten. Bis ihre Baumaterialien den Weg in die Praxis finden, müssen zuerst angemessene gesetzliche Bestimmungen festgelegt werden. „Daran wird noch gearbeitet. Ich bin sehr gespannt, meine Entwicklungen eines Tages unter realen Bedingungen auf einer Baustelle zu testen!“ Bis dahin sucht Sai Kala Kondepudi weiter – nach klimafreundlichen Baustoffen für Bauwerke, die Jahrhunderte halten.
Text: Esther Sambale