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Die Wissenschaft hat schon immer an den Grenzen des Möglichen experimentiert, aber wie werden neue Technologien unser Verständnis des Menschen und unserer Lebensräume in Zukunft prägen? ComLab#7 hat die Forschung erkundet, die unsere Erwartungen im Jahr 2023 beflügeln wird. Was sind die Grenzen in der Forschung und wie können oder sollten Wissenschaftler*innen und Journalist*innen neue Forschung kommunizieren, die vielversprechend ist, aber deren Ergebnisse und Auswirkungen noch nicht abzusehen sind?
Beim siebten Humboldt Communication Lab diskutierten Wissenschaftler*innen und Journalist*innen aus 17 Nationen zu den Herausforderungen in der Kommunikation verschiedener Forschungsfelder – von Biowissenschaften, Chemie- und Materialwissenschaften über Computing und KI, Photonik und Fusionsenergie bis zu Klima- sowie Tierverhaltensforschung. Dabei ging es nicht zuletzt auch um den Austausch zu unterschiedlichen kulturellen und disziplinären Perspektiven auf unser Verständnis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Sichtbarkeit in unterschiedlichen Medien.
In seiner Eröffnungsrede bestärkte Vito Cecere, Direktor Akademische Beziehungen, Bildungs- und Forschungspolitik im Auswärtigen Amt die Teilnehmenden darin, sich selbst als wichtige gesellschaftliche Akteur*innen in der Gestaltung informierter Öffentlichkeiten zu begreifen: „Wissenschaftler*innen und Journalist*innen sind diejenigen, die uns ein reales und authentisches Bild vom Stand der Forschung und von dem, was sie der Gesellschaft bringen kann, vermitteln können. Gleichzeitig liefern sie die Lösungen und visionären Erzählungen für eine gemeinsame Zukunft. ComLab ist ein großartiges Beispiel dafür, wie wir als globale Bürger*innen zusammenkommen und auf Veränderungen hinarbeiten können.“
Im siebten Communication Lab ging es um nichts weniger als das Leben selbst. In seiner Keynote „Leben jenseits der Erde“ verdeutlichte Markus Kissler-Patig, Leiter der Abteilung Wissenschaft und Betrieb bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), dass unser Verständnis vom Leben limitiert ist und gerade deshalb die Suche nach neuen Lebensformen außerhalb unseres Sonnensystems viele spannende Entdeckungen bereithält. Er sei optimistisch, dass noch in diesem Jahrzehnt Menschen auf den Mond zurückkehren und auf dem Mars landen werden. Vor allem mit der weltweiten Entwicklung der Raumfahrtindustrie stehen wir, so Kissler-Patig, am Beginn eines goldenen Zeitalters der Weltraumforschung und spannender wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Die Weltraumforschung ist ein Gebiet, das viele Menschen fasziniert und nicht zuletzt durch Darstellungen in den populären Medien und Science-Fiction viel Aufmerksamkeit erlebt. Doch wie gelingt es, komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Genetik oder Quantenforschung verständlich zu kommunizieren? Clive Cookson, Science Editor der Financial Times, erinnerte die Teilnehmenden daran, dass packende Geschichten aus der Wissenschaftswelt nicht allein auf dem Nachrichtenwert beruhen: „Wenn Journalist*innen über Wissenschaft berichten, müssen sie sich überlegen, was die Menschen begeistert. Eine Innovation hat Nachrichtenwert, wenn sie das Leben der Menschen durch Medizin oder Technologie erheblich beeinflusst. Oder wenn sie auf faszinierende Weise unser Wissen über uns selbst und unser Universum erweitert.“ Und besonders Forschenden riet Cookson: „Als Wissenschaftler*in müssen Sie bereit sein zu vereinfachen, auch über das hinaus, was streng genommen für Spezialist*innen in Ihrem Fachgebiet noch akzeptabel ist. Das mag sich für Sie ein wenig unangenehm anfühlen, aber manchmal ist es wesentlich, um mit der allgemeinen Öffentlichkeit zu kommunizieren.“ Generell fehle es ihm vor allem an ethischen Perspektiven in den Diskussionen zu neuen Entdeckungen in den Lebenswissenschaften: „Die Rolle der Ethiker*innen und insbesondere der Bioethiker*innen muss ausgebaut werden – sowohl in der Wissenschaft als auch im Journalismus.“
Mit Zulfikar Abbany, Senior Science Editor der Deutschen Welle, diskutierten die Teilnehmenden die Vor- und Nachteile von Wissenschaftshypes und die Frage, was bei der Kommunikation von kontroversen Forschungsfeldern wie synthetischer Biologie, Reproduktionsbiologie oder Fusionstechnologie schief gehen kann. Wichtig sei es, Forschung als ein komplexes System mit verschiedenen und eben auch konkurrierenden Ansätzen sichtbar zu machen. Abbany erklärte, dass die Covid-19-Pandemie ein wichtiger Lehrmeister war: “Wir hatten die Situation, dass die Wissenschaft sich selbst als die [einzige] Wahrheit hingestellt hat. Und das ist ein echtes Problem, denn die Menschen vergessen, was die Wissenschaft tut: Sie besteht aus kleinen Fragmenten möglicher Wahrheiten, die auf dem aufbauen, was vorher geschah.“ Ein realistisches Bild von Forschung bedeute auch, als Forschende und Journalist*innen ehrlich mit Fehlschlägen umzugehen und nicht nur die Erfolge zu betonen, so Abbany. Zugleich ging es um die strukturellen Herausforderungen, mit denen Journalismus und Wissenschaft zu kämpfen haben. „Der Journalismus und die Wissenschaft geraten in ein zunehmend restriktives Umfeld, in dem es immer weniger Raum für freies Denken gibt. Uns wird zunehmend von Daten diktiert, worauf wir uns konzentrieren sollten, was die Leute da draußen offenbar sehen wollen und was auch akzeptiert wird.“
Auch dieses Mal haben uns Mentor*innen aus den Medien und der Wissenschaftskommunikation begleitet. Jens Radü, Chef vom Dienst bei DER SPIEGEL, und Mohammed Yahia, Executive Editor bei Springer Nature im Nahen Osten, gaben den Teilnehmenden wichtige Hinweise zu ihren Projektideen. Annegret Burkert vom Science Media Center bot einen Überblick zu Unterstützungsmöglichkeiten für Journalist*innen und Forschende im Bereich Wissenschaftsjournalismus und Liliann Fischer von Wissenschaft im Dialog zeigte, welche Strategien für eine effektive Wissenschaftskommunikation nötig sind. Darüber hinaus diskutierten die Teilnehmenden mit Fischer den Nutzen und sinnvollen Einsatz von sozialen Medien. Der Austausch zu Herausforderungen der Kommunikation in den Herkunftsländern der Teilnehmenden stieß auf große Resonanz. Neben der zunehmenden Kommerzialisierung des Journalismus wurde auch der politische Einfluss auf Wissenschaft diskutiert sowie die Unterschiede im sozialen Ansehen von Forschenden, zum Beispiel in Indonesien, Indien oder Kanada.