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Drei Fragen an: Hanin Karawani Khoury
Hanin Karawani Khoury ist eine aufmerksame Zuhörerin – bei ihrer Arbeit im Sprach- und Musiklabor des Exzellenzclusters Hearing4all an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und im regelmäßigen Austausch mit einer Studentin, die gerade Mutter geworden ist. „Ich möchte vermitteln, dass sich Familie und wissenschaftliche Karriere nicht ausschließen. Man braucht jemanden, der einen immer wieder daran erinnert, dass die Wissenschaftswelt zwar hart ist, man aber auch mit Kind erfolgreich sein kann.“ Sie selbst hatte gleich zwei solcher Menschen um sich, ohne die sie ihren Karriereweg von der klinischen Audiologin und Sprachpathologin in die Wissenschaft nie gegangen wäre. „Meine Mutter war ein wichtiges Vorbild. Sie ist Richterin und studierte als eine der ersten arabischen Frauen Jura an der Hebräischen Universität Jerusalem. Sie hat mich immer bestärkt. Ebenso meine ältere Schwester, die Linguistin an der Universität Konstanz ist. Sie hat mich immer wieder ermutigt, zu promovieren und in die Forschung zu gehen.“
Heute leitet die Neurowissenschaftlerin und dreifache Mutter Hanin Karawani Khoury das AudioNeuro-Labor in der Fakultät Kommunikationswissenschaften und -störungen an der Universität Haifa. Seit September 2023 ist sie als Humboldt-Stipendiatin mit ihrer Familie für einen Forschungsaufenthalt in Oldenburg. Im Team der Gastgeberin Esther Ruigendijk geht sie der Frage nach, wie frühe Spracherfahrungen und Mehrsprachigkeit die Gehirnfunktion eines Menschen prägen und wie sie sich auf das Hörverständnis auswirken. „Vor allem Menschen, die mehrsprachig sind, haben eher Schwierigkeiten, Gesprochenes bei Hintergrundlärm zu verstehen“, sagt Karawani Khoury. Ein unbehandelter Hörverlust könne bei älteren Erwachsenen den Rückgang kognitiver und neuronaler Funktionen beschleunigen und zu Depressionen führen. „Bis 2050 könnte weltweit jede*r Vierte mit einer Höreinschränkung leben. Ich will Behandlungserfolge verbessern und das Wohlbefinden älterer Menschen fördern.“ Auf Basis ihrer Forschung entwickelte sie bereits ein Hörtraining, das Menschen zuhause nutzen können. Als Nächstes will sie herausfinden, ob sich Mehrsprachigkeit positiv auf den Alterungsprozess des Gehirns auswirkt.
Gemeinsame Erfahrung
Als arabische Israelin wuchs Karawani Khoury selbst mehrsprachig auf. „Zuhause in Jerusalem und später in Haifa sprachen wir Arabisch und Hebräisch. Ich lernte Deutsch und besuchte eine englische Schule. Meinen Eltern war es wichtig, dass wir offen für andere Kulturen sind.“ Eine Haltung, die sie auch ihren Kindern vermittelt, die derzeit eine internationale Schule in Bremen besuchen. „Dass ich in einem der internationalen Spitzenlabore auf dem Gebiet der auditiven und kognitiven Neurowissenschaften forschen kann, ist für meine Karriere entscheidend und öffnet mir Türen für neue Forschungskooperationen. Es bedeutet mir viel, dass ich diese Erfahrung mit meiner Familie machen kann.“ Die Zuschläge für Partner*innen und Kinder, die in den Stipendien der Humboldt-Stiftung enthalten sind, hält Karawani Khoury für einen wichtigen Beitrag, um die Lage von Frauen und Personen mit Kindern in der Wissenschaft zu verbessern. Was für einen Forschungsaufenthalt mit Kind in Deutschland dennoch wichtig ist: „Man muss jemanden an seiner Seite haben, der*die einen Großteil der Care-Arbeit übernimmt. Das deutsche Schulsystem ist leider nicht für arbeitende Frauen mit Kindern gemacht. Ohne meinen Partner könnte ich Forschung und Familie nicht vereinbaren.“ Für die Unterstützung ihres Mannes ist sie sehr dankbar. „Mein Mann Amir Khoury hat mich immer in meinem Erfolg bestärkt. Für meinen Postdoc führte er seine berufliche Karriere in den USA fort und jetzt macht er ein Sabbatical für unseren gemeinsamen Aufenthalt in Deutschland.“
Diverse Wissenschaftswelt
Karawani Khoury will, dass Frauen mit ihrer Forschung erfolgreich sind und hohe Positionen besetzen. „Die Wissenschaftswelt braucht unsere Klugheit und Empathie.“ In Deutschland beobachtet sie viele talentierte Postdocs, die eigentlich ein eigenes Labor leiten sollten, jedoch keine Stelle finden. „Im deutschen Wissenschaftssystem scheint kein Platz für alle zu sein. Das finde ich sehr traurig.“ Sie wünscht sich eine diverse Wissenschaftsgemeinschaft, in der Menschen aller Geschlechter, verschiedener Herkunft und Kulturen vertreten sind. „Die Welt um uns herum wird immer trauriger und härter. In unseren Forschungsgruppen sollten wir Vielfalt als Bereicherung ansehen. Schaut euch in euren Laboren um! Wenn wir jetzt beginnen konsequent Menschen anzustellen, die anders aussehen und anders denken als wir selbst, dann sind wir auf dem Weg in eine diverse Wissenschaftswelt.“
Autorin: Esther Sambale