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Haushaltskürzungen: „Wir verlieren einen Vorsprung“

Antje Schwalb, Mitglied im Auswahlausschuss für das Humboldt-Forschungsstipendium, über mögliche Konsequenzen der Kürzungspläne der Bundesregierung bei der Humboldt-Stiftung für den internationalen Wissenschaftsaustausch und den Forschungsstandort Deutschland

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Foto des Hauptgebäudes der Stiftung
Das Hauptgebäude der Humboldt-Stiftung in Bonn
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

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Humboldt-Stiftung: Frau Schwalb, welche Folgen sehen Sie angesichts der geplanten Kürzungen für die Humboldt-Stiftung?
Antje Schwalb: Wir haben in Deutschland attraktive Angebote für internationale Nachwuchsforschende zur Weiterqualifikation. Ich befürchte, dass wir hier einen echten Vorsprung verlieren, wenn infolge der Kürzungen weniger Förderangebote gemacht werden können, ob bei der Humboldt-Stiftung oder anderen Organisationen. Das wäre ein immenser Verlust – für die Forschung, für die Forschenden selbst und auch für die Studierenden hier in Deutschland.

Was heißt das konkret?
Weniger Förderangebote für internationale Studierende bedeuten weniger Internationalisierung an unseren Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Und das bedeutet wiederum, dass wir als Wissenschaftssystem weniger Perspektiven hinzugewinnen und uns weniger mit anderen und neuen Perspektiven auseinandersetzen müssen, die uns mitunter auch mal den Spiegel vorhalten. So konterkarieren die Kürzungspläne letztlich die Ziele, internationaler und diverser zu werden, die in der deutschen Wissenschaft so wesentlich sind.

Pressemitteilung zu den Haushaltskürzungen 

Sie engagieren sich als Fachvertreterin in unserem Auswahlausschuss für das Humboldt-Forschungsstipendienprogramm, das größte Programm der Stiftung. Wie machen sich die Kürzungen dort bemerkbar?
Die Auswahlquote liegt dort bislang bei rund 30 Prozent – was ich bereits recht sportlich finde. Kommen die Kürzungen, ist ein weiteres Absenken unumgänglich. Es tut jetzt schon weh zu sehen, welche Leistungen Leute mitbringen, die wir ablehnen müssen. Das sind oft qualitativ sehr hochwertige Bewerbungen von internationalen Nachwuchsforschenden, die sich selbst aktiv darum bewerben, hierher kommen zu können, dies sehr gut begründen und sehr hart dafür arbeiten. Sinken die Erfolgsaussichten weiter, werden sich potenzielle Bewerber*innen die Frage stellen, ob es sich überhaupt noch lohnt, Anträge zu stellen.

Ist auch Ihre eigene Forschungsarbeit als Professorin und Institutsleiterin betroffen?
Ich habe Kooperationen mit beispielsweise Mexiko und anderen Ländern Lateinamerikas und habe ein deutsch-chinesisches Graduiertenkolleg aufgebaut; Mitglieder meines Teams sind gerade von Feldarbeiten in Tibet und Nepal zurückgekommen. Ich selbst habe in der Schweiz promoviert und war als Postdoc in den USA. Internationale Nachwuchsforschende, die zum Teil mit Förderung der Humboldt-Stiftung oder des DAAD kamen oder kommen wollen, machen ein gutes Drittel meines Teams aus. Ich gehe davon aus, dass sich die Kürzungen auch hier bei mir niederschlagen werden. Für mich waren meine eigenen Auslandsaufenthalte so gewinnbringend, dass es mir wichtig ist, weiterhin Energie und Zeit in den Ausbau internationaler Zusammenarbeit und Netzwerke zu stecken. Es motiviert mich und fordert mich heraus, in meiner Forschung immer wieder neue Wege zu gehen. Wenn wir nur im eigenen Saft schmoren, lässt uns das verarmen – auch über den Bereich der Forschung hinaus.

Wie meinen Sie das?
Mich überrascht, dass die politische Bedeutung von internationaler Forschungszusammenarbeit oft weder gesehen noch abgefragt wird. Wir sind als Forschende doch auch Botschafter*innen, wenn wir mit Kolleg*innen aus anderen Ländern kooperieren. Da bekommen wir politisch-gesellschaftliche Entwicklungen aus allererster Hand mit, haben oft im Laufe einer Kooperation auch schwierige Phasen erlebt und Erfahrungen gesammelt, wie man den Kontakt und Dialog dennoch aufrechterhält. Ich sehe große Chancen darin, diesen politischen Mehrwert noch stärker zu nutzen. Aber dazu sollte man sich auf das fokussieren, was uns Forschende antreibt, statt zu kürzen: durch gemeinsame spannende Forschung Wissen gewinnen und dabei wie nebenbei den internationalen Austausch fördern.

Weitere Informationen

Porträtfoto von Antje Schwalb


Professorin Dr. Antje Schwalb ist seit 2002 an der Technischen Universität Braunschweig und leitet dort das Institut für Geosysteme und Bioindikation, das sie 2012 etabliert hat. Die Umwelt- und Paläoklimaforscherin ist Vorsitzende des Kuratoriums der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR. Seit 2019 gehört sie dem Auswahlausschuss für das Humboldt-Forschungsstipendienprogramm der Humboldt-Stiftung an. Zuvor war sie Mitglied im Kuratorium der VolkswagenStiftung sowie in verschiedenen Gremien der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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