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Lynen-Forschungsstipendien: Was kooperative Netzwerke so wichtig macht – in der Gesellschaft und der Wissenschaft

Die Lynen-Stipendiatin Friederike Hillemann erforscht in Durham gemeinsam mit ihrer Gastgeberin, der Humboldtianerin Sheina Lew-Levy, wie gegenseitige Unterstützung und Lernen zum Überleben der Gemeinschaft beitragen.

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Zwei lächelnde Frauen stehen vor einem Schild der Durham University mit der Aufschrift „Psychology“
Lynen-Stipendiatin Friederike Hillemann mit ihrer Gastgeberin und Humboldt Forschungsstipendium-Alumna Sheina Lew-Levy an der University of Durham.

Die Forschungsgruppe von Sheina Lew-Levy an der University of Durham (Vereinigtes Königreich), wendet quantitative und qualitative Methoden an, um zu ergründen, wie und von wem Kinder durch Teilhabe am täglichen Miteinander lernen. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf die egalitäre Gruppe der BaYaka, die im Regenwald der nördlichen Republik Kongos ansässig ist. Bei den BaYaka bringen sich Kinder gegenseitig das notwendige Wissen bei, um zur täglichen Versorgung der Gemeinschaft mit Nahrung beizutragen. Die Forschung verbindet Feldforschung mit interdisziplinären Ansätzen aus Anthropologie, Psychologie und Bildungsforschung.

Feodor Lynen-Forschungsstipendium Stipendium für Forschende aller Karrierestufen und Fachgebiete aus Deutschland.

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Kooperative Netzwerke verstehen und erforschen

Der Kontakt mit Lew-Levys faszinierender Arbeit mit den BaYaka im afrikanischen Regenwald weckte in Friederike Hillemann das Interesse, ähnliche Fragen zu kooperativen Netzwerken an Menschen zu erforschen.

Nun ist es das Ziel der beiden Forscherinnen, die Evolution und kulturelle Diversität des sozialen Lernens und kooperativer Netzwerke in Jäger- und Sammler-Gesellschaften und anderen indigenen Völkern unter bestimmten kulturellen und ökologischen Voraussetzungen zu begreifen. „Durch die Kooperation einzelner Mitglieder entstehen kleine Netzwerke, die Gemeinschaften sind auf diese Netzwerke angewiesen, um zu überleben. So wie in der Wissenschaft einzelne Forschende auf ihre Peers angewiesen sind, um die eigene Arbeit voranzubringen“, berichtet die Lynen-Stipendiatin Hillemann.  In der Wissenschaft gilt Letzteres erst recht für Frauen und andere Minderheiten – da sind sich Stipendiatin und ihre Gastgeberin einig.

 

Barrieren für Frauen in der Wissenschaft

Frauen in der Wissenschaft sind oft noch mit strukturellen Barrieren konfrontiert“, fasst Hillemann zusammen. „Zum Beispiel gibt es immer noch die tief verwurzelte Tradition der old boys clubs, in denen sich Männern in kleinen, informellen Zirkeln austauschen, Frauen aber weitestgehend ausgeschlossen sind.“

Die Gastgeberin Lew-Levy sieht außerdem auch praktische Hindernisse, die es Frauen erschweren, Karriere zu machen, da die Verantwortung für die Kinderbetreuung immer noch bei den Frauen gesehen wird. Diese Hürden treffen vor allem Frauen in der Feldforschung, denn im Feld gibt es oft schlicht keine Möglichkeit der Kinderbetreuung. Das stelle Forscherinnen vor große finanzielle und logistische Herausforderungen. Gerade in solchen Situationen kann gezielte Unterstützung helfen, Hürden abzufedern – etwa durch finanzielle Hilfen oder flexible Rahmenbedingungen eines Stipendiums.

 

Ein gemeinsamer Weg über das Lynen-Stipendium

Kennengelernt haben die beiden Forscherinnen sich bereits 2021 in Leipzig am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, wo Lew-Levy zu der Zeit im Rahmen ihres Humboldt-Forschungstipendium forschte. Inspiriert durch ihre positiven Erfahrungen, bewarb sich auch Hillemann auf das Lynen-Stipendium der Humboldt-Stiftung. Sie wollte von Expertise ihrer Gastgeberin lernen und ihr eigenes Projekt gemeinsam mit Kolleg*innen in Leipzig und Durham umsetzen.

Beide Humboldtianerinnen schätzen aus eigener Erfahrung nicht nur die finanzielle Unterstützung durch ein Stipendium der Humboldt-Stiftung, sondern vor allem auch die intellektuelle Freiheit, die damit einhergeht und die das Lynen-Stipendium von anderen unterscheidet.

„Die Stiftung fördert Individuen mit ambitionierten Ideen und Potential, statt starrer Projektpläne, was einem die Möglichkeit, völlig frei zu denken, sogenanntes ‚blue sky thinking‘.“
Friederike Hillemann, Feodor Lynen Stipendiatin

Das sei äußerst wichtig, denn als PhD Studentin habe man zwar viel Zeit für Forschung, aber noch nicht ausreichende Fähigkeiten und Erfahrung; sobald man an einer Universität angestellt sei, habe man zwar etwaige Fähigkeiten erlangt, aber durch Lehre und andere Verpflichtungen weniger Zeit, um zu forschen. Das Lynen-Stipendium bietet nicht nur individuelle Karrierechancen, sondern ermöglicht Forschung, die über Disziplin- und Ländergrenzen hinweg wirkt — diese Vernetzung ist für Wissenschaft und Gesellschaft unverzichtbar.

 

Gemeinsam statt einsam: Ein Plädoyer für neue Wissenschaftskultur

Für die Wissenschaft wünschen sich beide Forscherinnen mehr Zusammenhalt und Unterstützung. Es bräuchte eine Kultur, die es möglich macht, gemeinsam aus Fehlern zu lernen, andere an den Sicherungsseilen hinaufklettern zu lassen und einander auf dem Weg nach oben mitzunehmen, statt sich allein an die Spitze zu kämpfen. Lew-Levy und Hillemann sind sich einig: Die Karriere in der Wissenschaft verläuft oft unvorhersehbar und holprig. Umso wichtiger sei es, Netzwerke zu schaffen, in denen man Erfolge teilt, voneinander lernt und sich gegenseitig unterstützt.

„Mit meinen Peers zusammenzuarbeiten, hat mir die wichtigsten Ideen und Projekte eingebracht.“
Sheina Lew-Levy, Feodor Lynen Alumni & Host

Sie plädiert für eine Wissenschaft, in der horizontal in Netzwerken kooperiert wird, statt sich vertikal nach oben orientieren zu müssen. „Wenn du Menschen um Dich herumhast, mit denen du auch Niederlagen und Rückschläge teilen kannst, dann kannst du ganz du selbst sein, das ist viel besser als ständig das Gefühl zu haben, beeindrucken zu müssen. Du bist kreativer, wenn du in Dir ruhst“, finden beide, denn das stärke die Wissenschaft als Ganzes.

 
Im Vordergrund ist eine alte Steintreppe zu sehen, die in einen sonnigen Innenhof führt. Dort erstrecken sich grüne Wiesen und malerische historische Gebäude. Der Himmel ist blau mit einigen weißen Wolken.
Durham University
Saturn-ähnliches Dekortationsbild

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