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Nach den Sternen greifen

Im Felsenkeller-Labor des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf erforscht die Humboldt-Stipendiatin Eliana Masha, was im Inneren der Sonne vor sich geht. Die albanische Nuklear-Astrophysikerin will die Ursprünge des Universums ergründen und zeigen: Jede*r kann Wissenschaftler*in werden.

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Saturn-ähnliches Dekortationsbild

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Ein Portrait der Humboldtianerin. Daneben der Text: Drei Fragen an die albanische Nuklear-Astrophysikerin Eliana Masha. Darunter das Logo der Stiftung.
Sharepic mit folgendem Text: Frage: Wie sehen Sie die Rolle von Frauen in der Wissenschaft? Antwort (Zitat): „Ihre Rolle ist entscheidend. Ich wünsche mir mehr Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen, so würde sich auch strukturell etwas ändern. Was zudem wichtig ist: Menschen mit Kind oder pflegenden Personen das Arbeitsleben in der Forschung zu ermöglichen und zu erleichtern. Die Wissenschaftswelt braucht sie.“ Eliana Masha Humboldt Stipendiatin
Sharepic mit folgendem Text: Frage: Was raten Sie Forscherinnen aus Italien, die noch zögern, in Deutschland zu forschen?  Antwort (Zitat): „Seid aufgeschlossen, mutig und geht den nächsten Schritt. In ein fremdes Land zu ziehen, eine neue Sprache zu lernen und sich einer neuen Kultur anzupassen, kann herausfordernd sein, bietet aber auch die Chance, eine Erfahrung zu machen, die persönlich und beruflich bereichert. Dieses fremde Land kann zu einer zweiten Heimat werden.“ Eliana Masha Humboldt Stipendiatin
Sharepic mit folgendem Text: Frage: Was erwarten Sie von Ihrem Forschungsaufenthalt? Antwort (Zitat): „Schon jetzt habe ich das Gefühl, dass das Stipendium und mein Forschungsaufenthalt für die Entwicklung meiner beruflichen Laufbahn sehr hilfreich sind. Humboldtianer*in zu sein, öffnet Türen in der Forschungswelt und ermöglicht gute Karrierechancen.“ Eliana Masha Humboldt Stipendiatin

Unter Tage sieht Nuklear-Astrophysikerin Eliana Masha die Sonne am besten. In 45 Metern Tiefe forscht die Humboldt-Forschungsstipendiatin und Gastwissenschaftlerin von der Universität Mailand im Felsenkeller-Labor des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf und der Technischen Universität Dresden zu der Frage, was in der Sonne und in anderen Sternen vor sich geht. „Das könnte uns eines Tages Auskunft darüber geben, wie das Universum entstand“, erklärt Eliana Masha. Dort wo sich früher das Eislager der Dresdner Felsenkellerbrauerei befand, steht nun der acht Meter lange und zehn Tonnen schwere Teilchenbeschleuniger, in dem sie und ihr Host Professor Daniel Bemmerer in astrophysikalischen Experimenten Kernreaktionen aus dem Inneren der Sonne nachstellen. „Dabei feuern wir geladene Atomteilchen mit fünf Millionen Volt auf andere Atome und bringen sie so zur Kollision - in der Hoffnung, dass zwei Atomkerne verschmelzen und ein neues Element entsteht. Die Felsdecke schirmt kosmische Höhenstrahlung ab, nur so sind genaue Messungen möglich“, führt Eliana Masha aus.

Mit der Sonne fing alles an – auch Eliana Mashas Begeisterung für Wissenschaft. „Ich erinnere mich an eine Schulstunde, in der unser Lehrer sagte: ‚Die Sonne ist ein Stern wie alle anderen Sterne auch, er befindet sich nur am nächsten an der Erde.‘ Ich fragte weiter: ‚Was ist ein Stern?‘ Und er erklärte es.“  Masha wuchs in Luz i Madh auf, einem Vorort der Stadt Kavajë, die im westlichen Tiefland Albaniens liegt. „Schaut man dort in den Nachthimmel, ist die Milchstraße zu sehen. Seit dieser Schulstunde habe ich sie mit anderen Augen betrachtet. Für mich tauchten immer mehr Fragen auf, ich begann Sachbücher über Sterne zu lesen.“ Schon während ihrer Schulzeit nahm sie regelmäßig an Wissenschaftswettbewerben teil, ein Physiklehrer am Gymnasium erkannte und förderte ihr Talent. Dennoch hätte Masha nie gedacht, dass sie eines Tages Physik studieren und Nuklear-Astrophysikerin werden würde.

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Glücklicher Zufall

„Die Welt in Albanien war vor 18 Jahren noch eine andere. Für gewöhnlich heirateten junge Frauen nach der Schule, doch ich wollte studieren. Meinen Eltern gegenüber äußerte ich das anfangs nicht. Irgendwann verstanden sie, dass ich mich wirklich für Wissenschaft interessierte. Schließlich schickten sie mich, mit einer großen Opferbereitschaft ihrerseits, auf die beste weiterführende Privatschule der Stadt. Für meine Mutter war das nicht leicht. Sie hätte es wohl besser gefunden, wenn ich ein ‚normales Leben‘ geführt hätte“, so Masha. Trotz ihrer Physikbegeisterung entschied sie sich zuerst für ein Medizinstudium in Mailand. Ein Fach, das damals für Frauen ‚passender‘ erschien. Dass sie dennoch zu ihrem Fachbereich kam, verdankt sie auch einem Zufall. „Ich verpasste den Immatrikulationstermin für Medizin, studierte dann kurz Biologie, bis ich mich für Physik einschrieb und so zur Astrophysik kam.“ Bereits im Bachelor-Studium zog es Masha in die Tiefe. Sie war an Experimenten im weltweit größten Untergrund-Labor LUNA in Gran Sasso beteiligt, machte 2016 ein Praktikum im Dresdner Felsenkeller-Labor und entschied sich, in die Forschung zu gehen.

Ein Beruf für alle

Acht Jahre später kehrte sie als promovierte Nuklear-Astrophysikerin zurück. „Derzeit bin ich hier die einzige Frau. Mein Team ist wunderbar und ich spüre keine Unterschiede. Was jedoch auffällt: Anders als in Italien sehe ich in Deutschland nur wenig Frauen in meinem Bereich. Ich wünsche mir sehr, dass Menschen mit Kind oder auch pflegenden Personen, das Arbeitsleben in der Wissenschaft erleichtert wird und sie vermehrt Führungspositionen einnehmen. Ich bin zuversichtlich, dass wir am neuen Deutschen Zentrum für Astrophysik in Görlitz in dieser Hinsicht große Fortschritte sehen werden.“ Und noch etwas liegt ihr am Herzen. „Ich versuche Kindern, Jugendlichen und meinen Student*innen zu vermitteln, dass Wissenschaftler*in ein ganz normaler Beruf ist, den jede*r ergreifen kann. Man muss kein Genie sein.“  

Was laut Masha aber nötig ist: Stets mehr Fragen als Antworten zu haben, Begeisterung für das, was man tut, und Mut. Als sie sich um das Humboldt-Stipendium bewarb, rechnete sie eigentlich mit einer Absage. „Alle betonten, wie schwierig es sei, das Stipendium zu bekommen. Umso glücklicher machte mich die Zusage. Es bringt mich sowohl in meiner beruflichen als auch in meiner persönlichen Entwicklung voran. Ich werde von nun an immer wieder durch die Förderung profitieren können.“  Eine ihrer Professorinnen, die vor zwanzig Jahren selbst Stipendiatin war, habe immer gesagt, das Humboldt-Netzwerk sei wie eine Familie. „Darunter konnte ich mir nichts vorstellen, bis ich das Begrüßungstreffen der Stipendiat*innen erlebte. Ich spürte deutlich, dass nicht nur meine Forschung im Fokus steht, sondern auch ich als Mensch. Das war ein gutes Gefühl.“ So geht es Eliana Masha auch in ihrer Forschungsgruppe. „Wir sind ein tolles Team. Wenn ich an das Felsenkeller-Labor denke, fühlt es sich nicht nach Arbeit an, eher wie ein Zuhause. Das macht mich glücklich.“

Autorin: Esther Sambale

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