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Wissenschaftler aus Kuba: Im Meer der Vielfalt

Im Ozean und unter dem Mikroskop findet der Humboldtianer und kubanische Biologe Yander Luis Diez García Diversität, die das Klima schützt. Warum neue Plattwurm-Arten gut für die Umwelt sind und welche Möglichkeiten ihm der Forschungsstandort Deutschland bietet.

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Porträt von Yander Luis Diez García
Seit September 2022 forscht Yander Luis Diez García als Georg Forster-Stipendiat am Zentrum für Taxonomie & Morphologie des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels in Hamburg.

Wie seine Faszination für Biologie vor über 25 Jahren entstand, weiß der kubanische Wissenschaftler und Humboldtianer Yander Luis Diez García noch genau: „Das war in meiner Heimatstadt Banes vor dem Fernseher im Wohnzimmer meiner Eltern.“ Dort eröffnete ihm der Umweltschützer und Biologe Jorge Ramón Cuevas als Moderator der Sendung ‚Entorno‘ jeden Montag um 20:30 eine unbekannte Tier- und Pflanzenwelt. „Er vermittelte Natur- und Umweltthemen auf unterhaltsame Weise und trug dazu bei, dass ich Biologie studierte“, sagt Diez García.

Saturn-ähnliches Dekortationsbild

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Georg Forster-Forschungsstipendium

Seit September 2022 forscht Yander Luis Diez García als Georg Forster-Stipendiat am Zentrum für Taxonomie & Morphologie des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels in Hamburg. Ziel seines aktuellen Projekts ist es, so viele neue Plattwurm-Arten wie möglich zu sammeln, um per DNA-Analyse phylogenetische Verwandtschaften zwischen all diesen Arten in Hinblick auf Evolutionsmuster zu rekonstruieren. Denn: Die knapp ein Millimeter großen, fast transparenten Meerestiere spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, das Gleichgewicht und die Nahrungsnetze in Ökosystemen intakt zu halten. „Mit meiner Forschung will ich aufklären und einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels und gegen den Verlust der Artenvielfalt leisten.“ 57 neue Plattwurm-Arten hat er bereits entdeckt.

Mit meiner Forschung will ich aufklären und einen Beitrag gegen den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt leisten.
Yander Luis Diez García, Georg Forster-Stipendiat

Lebendiges Denkmal

Dem inzwischen verstorbenen Biologen und Moderator Jorge Ramón Cuevas hat er ein besonderes Denkmal gesetzt und eine neu entdeckte Plattwurm-Art nach ihm benannt. „Seine Arbeit hat mich und viele andere Kubaner*innen meiner Generation geprägt. Ich wollte ihm etwas Schönes widmen.“ Seit einem Forschungsaufenthalt an der belgischen Universität Hasselt 2015 arbeitet Diez García mit den wirbellosen Meerestieren. „Plattwürmer sind wahnsinnig spannende Organismen, die trotz geringer Größe in ihrer inneren Morphologie so komplex sind wie wir.“

Vor allem an die herausfordernde Anfangszeit seiner Laufbahn erinnert er sich gut. „Das mikroskopische Zeichnen meiner Forschungsobjekte fiel mir schwer. An einer besonders komplexen Art, der Galapagetula cubensis, arbeitete ich zwei Monate. Ich zeichnete, bis meine Finger bluteten. Diese Zeichnung wurde meine beste und hängt bis heute in meinem Büro.“

Bürokratische Herausforderungen

Immer das Beste zu geben – für seine Arbeit und für sein Forschungsteam, das ist Diez García wichtig. In Hamburg will er seine Forschung weiter voranbringen und sein Netzwerk ausbauen. „Zum einen ist Deutschland der weltweit wichtigste Standort in der Plattwurmforschung, zum anderen habe ich hier alle technischen Geräte zur Verfügung und die Bedingungen des Stipendiums sind hervorragend, auch für mitreisende Angehörige.“ Diez García kam mit seinem Mann nach Hamburg.

Über Deutschland hörte ich in Kuba vor allem zwei Dinge: Die Deutschen seien verschlossene, wütende Menschen und die Züge seien stets pünktlich. Beides hat sich definitiv als falsch herausgestellt.
Yander Luis Diez García, Biologe und Humboldtianer

Über Deutschland hörten sie in Kuba vor allem zwei Dinge „Die Deutschen seien verschlossene, wütende Menschen und die Züge stets pünktlich. Beides hat sich definitiv als falsch herausgestellt“, so Diez García. Insbesondere seine Gastfamilie mit ihren drei Kindern, bei denen er anfangs wohnte, unterstützten ihn sehr. Dennoch sagt er: „Um ehrlich zu sein, Deutschland ist kein Land für Ausländer. Es ist ein Land für Deutsche. Nicht nur mit Blick auf potenzielle Sprachbarrieren, sondern ganz grundsätzlich. Die Wohnungssuche und auch der Kontakt mit Behörden sind für Ausländer alles andere als leicht.“ Ein Visum für seinen damaligen Partner und heutigem Ehemann zu erhalten, war schwierig. Über Umwege und eine Heirat in Dänemark klappte der Familiennachzug nach einigen Monaten. „Das war eine sehr schwierige Zeit. Dass das Bürokratie-Level in Deutschland noch höher ist als in Kuba, hat uns sehr überrascht.“

Wichtiger Wandel

Das Humboldt-Stipendium veränderte sein Leben grundlegend. „Ich kam aus einem Land, in dem es momentan an den einfachsten Dingen fehlt, in ein Land, in dem es absolut alles gibt, was man für ein gutes Leben braucht. Von hier aus kann ich meine Familie und Freund*innen finanziell unterstützen.“ Kuba erlebt derzeit die schlimmste Wirtschaftskrise seit den 1990er-Jahren, Grundnahrungsmittel wie Brot oder Gemüse sind nur schwer oder überteuert zu bekommen. Zudem gefährden Klimawandelfolgen wie Trockenheit oder Starkregen die Ernährungssicherheit zusätzlich.

„Mein Monatseinkommen als Wissenschaftler und Uni-Professor läge dort derzeit umgerechnet bei etwa 20 Euro. Abgesehen davon könnte ich nicht forschen, es gibt weder Stellen noch Mittel“, so Diez García. Bevor er durch einen befreundeten Wissenschaftler vom Humboldt-Stipendium erfuhr und sich bewarb, durfte er zwei Jahre lang nicht ausreisen und das Internet der Universität nur mit starken Einschränkungen nutzen. „Nachdem ich befördert wurde, sollte ich politische Propaganda an Studierende weitergeben. Das verweigerte ich. Ich bin kein Kommunist und lehne dieses ungerechte System ab. Als ich das aussprach, bekam ich ein Reiseverbot und konnte meine Forschung nur sehr eingeschränkt und auf eigene Kosten weiterführen.“

Trotzdem fühlt sich Diez García Kuba verbunden und will eines Tages zurückkehren, um mit seiner Forschung die Entwicklung seines Heimatlandes voranzubringen. „Dort liegen meine Wurzeln. Es ist ein unglaublich tolles Land mit wunderbaren Menschen. Ich möchte dort leben und irgendwann sterben, doch bevor ich zurückgehen kann, muss ein Wandel passieren.“ Er ist sicher: „Kuba wird sich verändern. Denn nichts ist für immer, so will es die Dialektik des Lebens.“ Bis dahin will er sich weiter auf seine Forschung konzentrieren und darauf, den Menschen vor Ort zu helfen.

Autorin: Esther Sambale

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