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Philipp Schwartz-Initiative
Die Philipp Schwartz-Initiative ermöglicht seit 2016 deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen, ausländische Wissenschaftler*innen, denen in ihren Heimatländern Krieg oder Verfolgung drohen, für zwei Jahre bei sich aufzunehmen.
Ich stamme aus Salamiyya im westlichen Syrien und habe als außerordentliche Professorin an der Universität von Damaskus Vorlesungen über Strafrecht gehalten. In meinen Seminaren saßen regelmäßig Mitarbeitende des Geheimdiensts, denn mit meinen Themen habe ich indirekt die Regierung Baschar al-Assads kritisiert. Mein Mann Housamedden Darwish ist Philosoph und hat eine wissenschaftliche Arbeit über den arabischen Frühling 2011 und seine Entwicklung in Syrien veröffentlicht. Er stand ebenfalls unter Beobachtung und musste zeitweise sogar untertauchen. Im Jahr 2013 verlor ich alle Hoffnung auf eine Zukunft in unserem Land. Denn damals stand eines Abends ein Polizist vor unserer Wohnungstür und fragte nach meinem Mann. Als ich sagte, er sei nicht zu Hause, kündigte er an, bei seinem nächsten Besuch mich mitzunehmen. Er drohte, mich – oder eben meinen Mann – in eines jener Gefängnisse zu werfen, die kaum ein Häftling lebend verlässt. Wir mussten fliehen. Aber wie? Offiziell war eine Ausreise kaum möglich. Ich habe deshalb vorgetäuscht, Medikamente für meinen krebskranken Vater im Libanon besorgen zu wollen, in der Vergangenheit hatte ich das bereits gemacht. Für 48 Stunden durften wir das Land verlassen – und kehrten bis heute nicht zurück. Ganz besonders schwer fiel mir der Abschied von meinem Vater. Ich wusste, dass ich ihn nicht mehr lebend sehen würde, und inzwischenist er tatsächlich seiner Krankheit erlegen, das schmerzt mich sehr.
Sobald wir Griechenland erreichten, fühlte ich mich etwas sicherer. Nach einer Flucht durch verschiedene Länder gelangten wir schließich in ein Flüchtlingscamp in Nordrhein-Westfalen.
Dr. Anan Alsheikh Haidar
Herkunftsland:
Syrien
Fachgebiet:
Internationales Strafrecht und Völkerstrafrecht
Gastegbende Einrichtung:
Universität zu Köln
Förderzeitraum Philipp Schwartz-Initiative:
07/2016 – 06/2018
Von der Philipp Schwartz-Initiative erfuhr ich während eines Bewerbungsgesprächs meines Mannes an der Universität Köln. Ich lernte währenddessen außerdem Dr. Johannes Müller, den Leiter der Abteilung für Internationale Wissenschaft, kennen. Ihm verdanke ich viel, denn er stellte mich Professor Claus Kreß vor, dem Inhaber des Lehrstuhls für internationales Strafrecht an der Universität Köln sowie Direktor des Instituts für Friedenssicherungsrecht. Er war es auch, der mich für die Philipp Schwartz-Initiative vorschlug. Es war unser großes Glück, dass sowohl mein Mann als auch ich Stipendien erhielten – ich von der Initiative, mein Mann vom Scholar Rescue Fund und der Universität Köln.
An der Uni kam ich gut zurecht. Ich arbeitete als Forscherin am Institute for International Peace and Security Law mit Schwerpunkt auf dem Syrienkonflikt und besuchte Seminare am Institut zu verschiedenen Themen des Völkerrechts. Vielleicht half es mir, dass ich fünf Jahre lang in Großbritannien studiert hatte und mit dem westlichen Hochschulsystem vertraut war. Privat war es schwieriger. Das Team des Welcome Centre für internationale Wissenschaftler*innen der Universität unterstützte uns bei der Suche nach einer Wohnung und nach einem Kindergartenplatz für meinen Sohn, der 2015 zur Welt gekommen war. Er war damals ein Jahr und zwei Monate alt. Anfangs gab ich ihn zu einer Babysitterin und steckte fast mein ganzes Geld in die private Betreuung. Denn mir war klar, dass die Stelle über die Initiative eine einzigartige Chance für mich war. Mit ihrer Hilfe konnte ich mir ein wissenschaftliches Netzwerk in Deutschland aufbauen, was sonst unmöglich gewesen wäre. Nach dem Auslaufen der Förderung wurde meine Anstellung sogar verlängert.
Wenn mein Sohn mit unserer Familie in Syrien über Skype spricht, versteht er nicht, warum er sie nicht einfach besuchen kann. Doch wir stehen auf der schwarzen Liste der Regierung Assad, und eine Rückkehr käme momentan einem Selbstmord gleich. Das zu erklären ist schwer. Aber ich bin froh, dass wir in Sicherheit sind. Mein Sohn wechselt übrigens vom Arabischen ins Deutsche, wenn er sich sehr freut, sehr traurig ist oder sehr wütend. Deutsch ist für ihn die Sprache der Gefühle, er kennt sie von anderen Kindern aus der Kita. Eine Sprache, in der er sich zu Hause fühlt. Und das ist schön.
Aufgezeichnet von Carola Hoffmeister