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Am 20. Oktober haben die Wissenschaftsminister*innen der Europäischen Union bei einem Treffen in Bonn eine Erklärung zur Forschungsfreiheit verabschiedet. Die Alexander von Humboldt-Stiftung unterstützt den Vorstoß gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Wissenschaftsfreiheit ist für die Stiftung mit ihrem Netzwerk aus mehr als 30.000 Geförderten weltweit ein zentrales Anliegen.
Die Bonner Erklärung der EU-Wissenschaftsminister*innen nehmen wir zum Anlass, das Engagement der Stiftung näher zu beleuchten. Ein Interview mit Barbara Sheldon, die in der Stiftung für die Philipp Schwartz-Initiative verantwortlich ist.
Humboldt-Stiftung: Wie setzt sich die Humboldt-Stiftung für die Stärkung der Forschungsfreiheit ein?
Barbara Sheldon: Ganz konkret engagiert sich die Stiftung schon seit Jahren für bedrohte Forschende, etwa für solche, in deren Heimat Krieg herrscht, deren Forschungsfreiheit eingeschränkt wird oder die persönlich verfolgt werden: Die Philipp Schwartz-Initiative hilft geflohenen Forschenden, an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen Fuß zu fassen. Das Programm wurde 2015 von der Humboldt-Stiftung gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt ins Leben gerufen. Zum Schutz bedrohter oder verfolgter Wissenschaftler*innen arbeitet die Stiftung eng mit internationalen Partnern wie dem Scholars at Risk Network, dem Scholar Rescue Fund und dem Council for At-Risk Academics zusammen.
Frau Sheldon, welche Bilanz ziehen Sie nach fünf Jahren Philipp Schwartz-Initiative?
Mit der Philipp Schwartz Initiative haben wir ein Zeichen der Hoffnung gesetzt und ein klar erkennbares Bekenntnis, dass wir in Deutschland für die Wissenschaftsfreiheit einstehen. Die symbolische Wirkung des Programms ist nicht zu unterschätzen – aus einem Land kommend, das selbst unter dem Nazi-Terror-Regime Wissenschaftler*innen vertrieben hat. Natürlich helfen wir auch ganz praktisch.
Wie sieht diese Hilfe aus?
Wir vergeben Fördermittel an deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen, mit denen diese durch Stipendien ausländischen Wissenschaftler*innen Aufenthalte über zwei bis drei Jahre finanzieren und ihnen in Deutschland einen sicheren Hafen für einen Neustart bieten können. Und rund vierzig deutsche Einrichtungen engagieren sich auch darüber hinaus im internationalen Netzwerk „Scholars at Risk“, für das wir als Humboldt-Stiftung das deutsche Sekretariat stellen. Wir sind dem Auswärtigen Amt sehr dankbar, dass es die Philipp Schwartz-Initiative finanziell unterstützt – ebenso wie unseren privaten Geldgebern.
Wie geht es für die Stipendiat*innen nach Ende der Förderung weiter?
Wichtig ist, dass vom ersten Tag der Förderung an für die Zeit nach Ende der zwei- bzw. dreijährigen Förderung geplant wird. Den wissenschaftlichen Gastgeber*innen der Philipp Schwartz-Stipendiat*innen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Inwiefern?
Etwa als Vermittler*innen von geeigneten Fortbildungen oder als Türöffner*innen. Seitens der Humboldt-Stiftung stellen wir zudem gesonderte Mittel für Maßnahmen zur Karriereentwicklung bereit. Inzwischen sind die ersten Kohorten am Ende ihrer Förderung angekommen. Wir freuen uns sehr, dass 60 Prozent von ihnen im unmittelbaren Anschluss an die Förderung eine Folgeanstellung gefunden haben. Gemeinsam mit unseren Gasteinrichtungen und Partnerorganisationen suchen wir nach Ideen und Wegen, um diesen Anteil noch zu erhöhen.
Welche Erfolgsgeschichten haben Sie zu erzählen?
Besonders beeindruckt hat mich der Fall eines syrischen Geographieprofessors, der vor dem bewaffneten Konflikt nach Deutschland zu seinem ehemaligen Doktorvater floh und dort – unterstützt zunächst durch den Scholar Rescue Fund und dann durch die Philipp Schwartz-Initiative – wissenschaftlich Fuß fassen konnte. Sein Wunsch war von Anfang an, zum Wiederaufbau in sein Heimatland zurückzukehren. Dazu hat er in Deutschland ein Netzwerk exilierter syrischer Forschender aufgebaut, die sich noch in der Diaspora auf den Wiederaufbau ihres Heimatlandes vorbereiteten. Weil eine Rückkehr bis jetzt nicht möglich wurde, hat er nach dem Ende seiner Förderung eine Professur in einem anderen – sicheren – Land der MENA-Region angenommen.
Oder da ist die Geschichte eines türkischen Politikwissenschaftlers, der – wie so viele andere Forscher*innen – 2016 aus politischen Gründen sein Heimatland verlassen musste. An einer deutschen Universität konnte er sich in Sicherheit bringen und mit Unterstützung seines wissenschaftlichen Mentors und vielen anderen Angehörigen der gastgebenden Einrichtung mit seiner wissenschaftlichen und persönlichen Zukunft auseinandersetzen. Heute bringt er als PostDoc an einem deutschen Think Tank seine fachliche und regionale Expertise ein.