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Studie „Life with Corona“ mit ersten Ergebnissen

Wie kommen Menschen weltweit mit den Folgen der Coronavirus-Pandemie zurecht? Seit März 2020 hat die Humboldt-Professorin Anke Hoeffler gemeinsam mit ihren Fachkolleg*innen Tilman Brück vom International Security and Development Center, Berlin, und Patrica Justino vom United Nations University World Institute for Development Economics Research, Helsinki, Finnland, sechs Monate lang Daten zum Umgang mit der Krise gesammelt. Fast 12.000 Menschen aus über 130 Ländern haben den Fragebogen „Life with Corona“ ausgefüllt. Nun hat die internationale Forschungsgruppe erste Ergebnisse vorgelegt.

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Humboldt-Stiftung: Frau Hoeffler, Sie haben die Ergebnisse Ihrer weltweiten Umfrage in sechs Hauptpunkte zusammengefasst. Womit hatten Sie gerechnet, was hat sie überrascht?
Anke Hoeffler: Ich hatte damit gerechnet, dass Frauen durch die Krise beanspruchter sind . Leider fällt der Löwenanteil der Kinderbetreuung und der Hausarbeit in vielen Haushalten immer noch auf die Frauen. Während der Pandemie mussten Schule und Arbeit daheim koordiniert werden, sehr anstrengend! Leider hat mich auch der stärkere Nationalismus der Amerikaner nicht erstaunt, den wir festgestellt haben. Meiner Meinung nach sollten als erstes, sobald ein Impfstoff zur Verfügung steht, alle Personen, die im Gesundheitssystem arbeiten, geimpft werden.

Die Studie zeigt außerdem, dass junge Leute gar nicht die „Super-Spreader“ sind, zu denen sie im Moment auch in deutschen Medien erklärt werden!
Erstaunt haben mich in der Tat die Resultate über junge Menschen: Junge Menschen haben die Anti-Corona Maßnahmen offensichtlich gut verstanden und ändern ihr Verhalten dementsprechend. Sie treffen Vorsichtsmaßnahmen wie z.B. das Tragen von Masken, Hände waschen und schränken die Anzahl ihrer Begegnungen stark ein.

Obwohl junge Menschen verständlicherweise weniger Angst vor einer COVID-19 Erkrankung haben, sind sie gestresster als ältere Menschen. Daraus folgt, dass wir mehr für junge Menschen tun müssen, ihre Sorgen und Nöte ernst nehmen und ihr Verhalten weniger anprangern sollten. Denn Regelverstöße werden nur von einer Minderheit begangen, wie unsere Ergebnisse zeigen. 

Unterscheidet sich der Umgang denn gar nicht von Land zu Land? Welche Rolle spielen Mentalitäten, das Alter, Klasse?
Bislang haben wir fast 12.000 Antworten aus über 130 Ländern. Die Antworten unterscheiden sich im Hinblick auf Alter und Geschlecht, aber viel weniger durch Einkommen oder Nationalität - mit  wenigen Ausnahmen, z.B. die USA. Das ist ein interessantes Resultat. Die Pandemie betrifft uns alle und obwohl sie uns verschiedene Einschränkungen auferlegt, reagieren wir letztendlich sehr ähnlich auf diese globale Herausforderung. Es bestärkt meine Weltanschauung von einer gemeinsamen Menschlichkeit.

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Zur Person

Anke Hoeffler ist Humboldt-Professorin an der Universität Konstanz und eine der weltweit meistzitierten Sozialwissenschaftlerinnen. Die Ökonomin und Politikwissenschaftlerin beschäftigt sich in ihrer Forschung mit Gewalt, Konflikten und Bürgerkriegen sowie deren wirtschaftlichen Folgen.

Wie erklären Sie sich, dass die USA das einzige Land sind, in dem die Befragten den Impfstoff zuerst für sich selbst mit Vorrang vor anderen Ländern zur Verfügung gestellt haben wollen?
Das Wiederaufleben des „America First“ Gedankens und Parolen wie „Make America Great Again” beeinflussen das Denken der Amerikaner, es erscheint im gegenwärtigen, aufgeheizten politischen Klima legitim, sich zuerst helfen zu wollen. Dies ist natürlich ein großer Trugschluss. Es handelt sich um eine Pandemie, d.h. wir müssen die Krankheit global bekämpfen, nur dann wird auch das eigene Land sicher.

Wie hängen Entwicklungen bei den Zahlen der Todesfälle mit dem Verhalten der Menschen zusammen?
Laut Johns Hopkins University haben die USA weltweit die größte Anzahl an Toten (über 200.000, Stand 1. Oktober 2020). Das schürt natürlich große Ängste und macht somit vielleicht den Wunsch nach Impfungen im eigenen Land verständlicher.

Weltweit sehen wir, dass die allgemeine Unterstützung für Anti-Corona Maßnahmen zwar hoch sind, aber nachlassen, sobald die Zahl der Todesfälle ihren Höhepunkt überschritten hat und wieder kleiner wird. Dies gilt auch für Deutschland, wo dieser Höhepunkt relativ früh eintrat. Die Unterstützung der Maßnahmen lässt also nicht aufgrund von Ermüdungserscheinungen nach, sondern ist an die Zahl der Todesfälle gekoppelt.

Lassen sich Risiken für den weiteren Umgang mit der Pandemie in den nächsten Monaten aus ihren Ergebnissen ablesen?
Die einzigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, die uns augenblicklich zur Verfügung stehen, sind verhaltensändernde Maßnahmen. Die abnehmende Unterstützung der Anti-Corona  Regeln, die auch wir festgestellt haben, erschwert es Regierungen, die zweite Welle abzuflachen. Das derzeit größte Risiko ist also die abnehmende Bereitschaft der Bevölkerung, Regeln einzuhalten.

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