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Umweltkatastrophe vor Mauritius

Ende Juli lief der japanische Frachter „Wakashio“ vor der Südostküste des Inselstaats Mauritius im Indischen Ozean auf ein Riff. Rund 1000 Tonnen Öl gelangten durch einen Riss im Rumpf in das Meer und gefährden nun die einzigartigen Ökosysteme in den anliegenden Naturschutzgebieten. Hunderte von freiwilligen Helfer*innen versuchten, die Katastrophe abzumildern. Am 16. August brach der Tanker schließlich auseinander. Ein Teil des Wracks soll nun vor der Insel versenkt werden. Eine umstrittene Entscheidung. Humboldtianerin Nowsheen Goonoo über das Unglück, das ihre Heimat aus dem Nichts traf und auch die eigene Forschung beeinflussen könnte.

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Saturn-ähnliches Dekortationsbild

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Humboldt-Stiftung: Das Vorderteil des Wracks der „Wakashio“ soll nun 13 Meilen östlich von Mauritius  vor der Küste versenkt werden.  Wie ist die Situation im Moment? 
Nowsheen Goonoo: Diese Entscheidung sehen wir sehr kritisch, denn dort, wo das Wrack versenkt werden soll, liegen die Aufzuchtgebiete der Buckelwale. Sie bringen dort ihre Kälber zur Welt. Niemand weiß, welche Auswirkungen das rostende Metall des Wracks auf die Kinderstube der Walpopulationen und das fragile marine Ökosystem zwischen Mauritius und der Insel La Réunion haben werden. Sollten die Schwermetallrückstände im Thunfisch und anderen Tiefseefischen steigen, könnte das schwerwiegende Beeinträchtigungen für die Fischindustrie nach sich ziehen, die für Mauritius von großer Bedeutung ist.

Welche Folgen hat die akute Ölverschmutzung?
Die Biodiversität in der Region ist einzigartig, hier leben seltene vom Aussterben bedrohte Arten. Die Lage des Ölteppichs ist daher auch entscheidender als seine Größe. Denn er bedroht die Küstenlinie im Südosten und damit zwei UNESCO Ramsar-Naturschutzgebiete (internationales Übereinkommen zum Schutz von Feuchtgebieten). Pointe d’Esny stellt mit 22 Hektar Mangrovensümpfen einen  Zufluchtsort und Lebensraum für viele seltene Tierarten dar, darunter einheimische Schmetterlinge. Zum anderen erstreckt sich vor der Küste über 350 Hektar der Blue Bay Marine Park, ein Riff, das sich noch 38 verschiedener Korallenarten rühmen kann. Mehr als 230 Fischsorten und rund 200 Arten schalentragender Weichtiere sind hier zu Hause. Der Blue Bay Marine Park bietet auch der gefährdeten Grünen Meeresschildkröte eine Kinderstube. Sie legen im weichen Sand der Strände ihre Eier ab.

Nowsheen Goonoo


Welche sind die schlimmsten Befürchtungen?
Das Öl ist hochgiftig und wird den Tod verschiedener Meereslebewesen nach sich ziehen - von Plankton, Fischen, Seevögeln und Delphinen. Das Öl verklebt das Federkleid tauchender Vögel und zerstört die natürliche Isolation, die Vögel erleiden Unterkühlung oder Überhitzungen. Bei dem Versuch das Federkleid zu reinigen, schlucken die Vögel Öl, was zur Zerstörung der inneren Organe und letztlich zum Tod führt. Das Öl hat auch desaströse Folgen für Meeressäugetiere. Es verstopft die Blaslöcher von Walen und Delphinen, was Atembeschwerden und Kommunikationsschwierigkeiten verursacht. Ferner verschmutzt das Öl die Nestgelege von Meeresschildkröten, und könnte die Embryonenentwicklung beeinflussen.  

Auch die Ile aux Aigrettes, ein weiterer Naturschutzpark, ist vom Ölteppich bedroht. Dort findet man Mauritius‘ letzte Ebenholzwälder und seltene und vom Aussterben bedrohte Tierarten wie die Rosentaube, den Mauritius-Brillenvogel, den Telfair-Skink oder den Mauritius Fody.  Die Mauritius Wildlife Foundation (MWF) hat aber schnell reagiert und zur Rettung der bedrohten Arten einzelne Exemplare von Pflanzen und Tieren auf das Festland gebracht.     

Sie sind Spezialistin für Biopolymere, die Sie für medizinische Anwendungen verwenden, etwa zur Herstellung von Wundmaterial. Sie arbeiten auch mit braunem Seetang. Welchen Einfluss hat das Unglück auf Ihre Forschungsarbeit?
Der Seetang, aus dem ich die Biopolymere für meine Arbeit gewinne, hat unter dem Ölteppich gelitten. Die Algen wurden von dem zähflüssigen Öl umschlossen und starben ab und wurden an Land gespült. Es ist davon auszugehen, dass sich langfristig Schwermetalle im Seetang ansammeln werden. Das muss sorgfältig überwacht werden. Nur, wenn bestimmte Grenzwerte eingehalten werden, können wir das Material aus den südöstlichen Regionen auch für biomedizinische Anwendungen verwenden. 

Wie sehen die Mauritier die Zukunft?
Die Mauritier sind wütend und traurig darüber, wie man mit der Situation umgegangen ist und viele von ihnen glauben, dass die Ausbreitung des Ölteppichs hätte verhindert werden können, wenn die Regierung früher gehandelt hätte.

Wir haben Ausrüstung und technische Unterstützung aus Indien und Frankreich bekommen. Die Japaner haben Experten geschickt, die eng mit dem Nationalen Krisenmanagement Komitee zusammen arbeiten werden. Überwältigend war die Solidarität der Anwohner. Sie haben mit Schaufeln und Eimern Öl eingesammelt. Gemüsehändler und Umzugsfirmen haben ihre Transporter verliehen, um Freiwillige und das Material für Öl-Barrieren zu transportieren. Aber leider werden die Auswirkungen des Unglücks für viele Jahre zu spüren sein. Die mauritische Wirtschaft ist durch die Corona-Krise schon stark angeschlagen, die Hotels haben seit Monaten leer gestanden. Selbst wenn die Grenzschließung aufgehoben wird, fürchten wir, werden die Touristen wegen der Öl-Verschmutzung nicht nach Mauritius kommen wollen.

aktualisiert am 22. September 2020

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