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Künstliche Intelligenz und Computerwissenschaften treiben die Entwicklung in vielen gesellschaftlichen Bereichen voran – auch in der Wissenschaft. Daher zeichnen die Max-Planck-Gesellschaft und die Alexander von Humboldt-Stiftung 2024 herausragende Leistungen beim Einsatz von Algorithmen in der Mathematik, der Mikroskopie und der Klimaforschung aus: Der mit 1,5 Millionen Euro dotierte Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis geht an Geordie Williamson, Professor an der University of Sydney. Williamson setzt für seine grundlegenden Arbeiten in der Mathematik unter anderem künstliche Intelligenz (KI) ein. Max-Planck-Humboldt-Medaillen erhalten Laura Waller, Professorin an der University of California Berkeley, für ihre Arbeiten in der computergestützten Mikroskopie und Torsten Hoefler, Professor an der ETH Zürich, für die Einführung von KI im Hochleistungsrechnen etwa in der Klimaforschung. Preis und Medaillen werden am 3. Dezember in Berlin verliehen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen künstliche Intelligenz heute in vielen Bereichen vor allem der Naturwissenschaften, etwa zur Daten- oder Bildanalyse. In der theoretischen Mathematik kommt KI dagegen bislang kaum zum Einsatz. Geordie Williamson möchte das ändern. Bereits in seinen bisherigen Arbeiten hat er künstliche neuronale Netze genutzt, die die mathematische Intuition leiten können, indem sie auf bislang unerkannte Zusammenhänge in einer großen Anzahl mathematischer Objekte aufmerksam machen. Künstliche Intelligenz kann zudem helfen, Beispiele oder Gegenbeispiele zu erzeugen, die mathematische Vermutungen belegen oder widerlegen. Dabei können künstliche neuronale Netze in großen Datensätzen zwar sehr effizient und effektiv Muster erkennen, von Mathematik verstehen sie aber nichts. Daher bleibt es Aufgabe von Mathematikerinnen und Mathematikern, unter den Vorschlägen der KI die sinnvollen herauszufiltern, zu interpretieren und im Falle neuer Vermutungen über mathematische Zusammenhänge, diese letztlich zu beweisen. Die Möglichkeiten, KI in der theoretischen Mathematik einzusetzen, möchte Geordie Williamson in der Kooperation, die der Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis ermöglicht, optimieren. Zu diesem Zweck wird er eng mit Forscherinnen und Forschern der Universität Bonn sowie des Bonner Max-Planck-Instituts für Mathematik kooperieren und sich dort auch zweimal für jeweils mehrere Monate aufhalten.
Eine Verbindung zwischen Zählbarem und Geometrie
Die bisherigen Forschungsarbeiten von Geordie Williamson zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass er darin verschiedene Gebiete wie etwa die Kombinatorik und die Geometrie zusammengebracht hat. Die Kombinatorik lässt sich vereinfacht als der Teilbereich der Mathematik verstehen, der sich allem Zählbaren widmet; zu ihr gehört etwa die Graphentheorie und die diskrete Mathematik. In der Geometrie geht es um Objekte in Räumen, also etwa wie in der Schulmathematik um Geraden, Flächen und Körper. Beide Teilgebiete kommen in einem einfachen Beispiel zusammen, wenn es darum geht, die Schnittpunkte einer Kurve mit einer Fläche zu zählen. Geordie Williamson hat nun Wege eröffnet, Probleme aus der Kombinatorik mit Instrumenten der Geometrie zu lösen. Zu diesem Zweck musste er zunächst gewissermaßen eine gemeinsame mathematische Sprache der beiden Teilgebiete entwickeln, damit sich kombinatorische Probleme in der Geometrie bearbeiten lassen, Geometrie sich aber auch in Kombinatorik übersetzen lässt. Mit diesem Ansatz hat Geordie Williamson verschiedene Vermutungen bewiesen oder widerlegt, mit denen sich Mathematikerinnen und Mathematiker lange intensiv, aber vergebens beschäftigt haben.
Zum Beispiel hat Williamson gemeinsam mit Ben Elias von der University of Oregon die in der Mathematik wichtige Kazhdan-Lusztig-Vermutung allgemein bewiesen, der zufolge sich – vereinfacht ausgedrückt – die Anzahl von Objekten in einem System aus anderen Eigenschaften des Systems ableiten lässt. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als hätte man es mit einem Rezept zu tun, das eine Liste der Zutaten und Anweisungen enthält, was damit zu tun ist. In dem Rezept fehlen aber die Mengenangaben. David Kazhdan und George Lusztig stellten dazu die Vermutung an, dass es für solche Fälle in der Mathematik Polynome gibt, aus denen sich – um im Bild zu bleiben – die Mengenangaben für das Rezept ermitteln lassen. Polynome sind Formeln, die man in einfacher Form von den binomischen Formeln aus der Schule kennt. Geordie Williamson hat einen neuen und einfacheren Beweis für diese Annahme geliefert. Seine aus der Geometrie entlehnten Methoden ermöglichen es darüber hinaus, die Polynome, die die unbekannten Angaben liefern, deutlich einfacher zu lösen und tiefer zu analysieren.
Mithilfe von KI Probleme der Knotentheorie lösen
Im Rahmen der Kooperation mit Forschenden der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Mathematik, die der Preis ermöglicht, wird Williamson, unterstützt von künstlicher Intelligenz, verschiedene mathematische Probleme angehen. Dazu gehört auch ein Problem aus der Knotentheorie. Vereinfacht lässt es sich so erklären, dass bei verknoteten Gebilden, etwa in einer Schnur, oft nicht zu erkennen ist, ob es sich um echte Knoten handelt. Das heißt: Bleibt der Knoten erhalten, wenn man an den Enden der Schnur zieht, oder löst er sich auf? Ein Ziel des Projekts ist, auf einfache Weise die für die Forschung uninteressanten Fälle zu ermitteln, bei denen sich der Knoten auflösen würde. So können die Forschenden diese Fälle schnell aussortieren und sich den echten Knoten widmen. Und KI soll sie dabei unterstützen und helfen, neue mathematische Einsicht zu erlangen.
Geordie Williamson hat an der University of Sydney studiert und wurde 2008 an der Universität Freiburg promoviert. Anschließend forschte er zunächst bis 2011 an der Oxford University und leitete dann bis 2016 eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Mathematik. Nach weiteren kürzeren Stationen am Bonner Hausdorff-Zentrum für Mathematik und am Institute for Advanced Study, Princeton, wurde er 2017 zum Professor an der University of Sydney berufen. Er leitet dort seit 2018 als Gründungsdirektor das Sydney Mathematical Research Institute. Geordie Williamson ist Fellow der britischen Royal Society und der australischen Akademie der Wissenschaften.
Max-Planck-Humboldt-Medaillen für Laura Waller und Torsten Hoefler
Laura Waller, Professorin für Elektrotechnik und Computerwissenschaften an der University of California, Berkeley, wird mit einer Max-Planck-Humboldt-Medaille geehrt. Sie nutzt Algorithmen, unter anderem auch solche des maschinellen Lernens, um die Mikroskopie vor allem von biologischen Proben, aber auch die Abbildung astronomischer Objekte zu verbessern. Die Pionierin der computergestützten Mikroskopie kombiniert dabei Computerwissenschaften und einfache Instrumente, um beispielsweise mehr Details sichtbar zu machen und dreidimensionale Bilder oder Filme zu erstellen. Laura Waller hat unter anderem das Phasenkontrastmikroskop weiterentwickelt, das auch durchsichtige Objekte abbilden kann. Sie hat Algorithmen formuliert, die quantitative Information über die Phase von Lichtwellen – das ist vereinfacht gesagt die Verschiebung von Lichtwellen gegeneinander – aus wenigen Aufnahmen mit Beleuchtung aus unterschiedlichen Winkeln ermitteln. Die entstehenden Bilder stellen nicht nur die Form von Zellen besser dar, sondern erlauben auch ein besseres Zell-Tracking. In einer weiteren Erfindung, der DiffuserCam, platziert Waller auf einem Lichtsensor eine unebene Plastikplatte, die einfallendes Licht streut. Aus einer einzigen Aufnahme des Sensors lassen sich dann sehr detaillierte 3D-Bilder rekonstruieren, was sich nicht nur in der Mikroskopie, sondern auch bei astronomischen Abbildungen nutzen lässt. Die Technik erlaubt es zudem, mit einer gewöhnlichen Kameraausrüstung Hochgeschwindigkeitsvideos zu erstellen.
Torsten Hoefler, Professor an der ETH Zürich, wird mit einer Max-Planck-Humboldt-Medaille für seine Forschung im Bereich der Informatik ausgezeichnet. Sein Fokus liegt darauf, die Effizienz von Algorithmen zu steigern, insbesondere für Anwendungen bei Hochleistungsrechnern und künstlicher Intelligenz. Hoeflers Methoden haben bedeutende Fortschritte in verschiedenen Bereichen ermöglicht. So hat sein Team Wege gefunden, die Lösung von sehr aufwändigen Rechenproblemen wie Quantensimulationen, die für die Halbleiterindustrie von Bedeutung sind, erheblich zu beschleunigen. Zudem hat er zahlreiche Verfahren entwickelt, die maschinelle Lernalgorithmen optimieren und deren praktische Anwendbarkeit deutlich verbessern. Ein besonders bemerkenswerter Durchbruch gelang Hoefler und seinem Team bei der Verarbeitung großer Datenmengen für Klimasimulationen. Mithilfe neuronaler Netze haben die Forschenden diese Daten auf ein Tausendstel ihres ursprünglichen Volumens komprimiert, ohne dabei an Genauigkeit einzubüßen. Durch die geschickte Kombination und Optimierung von Hardware, Software und Algorithmen hat Hoefler die Effizienz von Computersystemen um das bis zu Tausendfache gesteigert. Seine Arbeit leistet einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz und eröffnet neue Anwendungsgebiete in der Informatik.
Über den Preis
Die Max-Planck-Gesellschaft und die Alexander von Humboldt-Stiftung verleihen den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis an eine Forscherin oder einen Forscher aus dem Ausland. Die Auszeichnung wird durch 80.000 Euro als persönliches Preisgeld ergänzt.
Im Fokus stehen Persönlichkeiten, deren Arbeiten sich durch herausragendes Zukunftspotenzial auszeichnen. So werden mit dem Preis besonders innovative im Ausland tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für zeitlich begrenzte Aufenthalte oder besonders innovative Forschungsprojekte an einer deutschen Hochschule oder Forschungseinrichtung gewonnen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert den Preis.
Der Preis wird jährlich abwechselnd auf den Gebieten der Natur- und Ingenieurwissenschaften, der Lebenswissenschaften und der Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaften vergeben. Zudem können bis zu zwei weitere Personen nominiert und jeweils mit einer Max-Planck-Humboldt-Medaille ausgezeichnet werden. Diese ist mit einem Preisgeld in Höhe von 60.000 Euro dotiert.
Jährlich ermöglicht die Alexander von Humboldt-Stiftung über 2.000 Forscher*innen aus aller Welt einen wissenschaftlichen Aufenthalt in Deutschland. In weltweit über 140 Ländern pflegt die Stiftung ein fächerübergreifendes Netzwerk von mehr als 30.000 Humboldtianer*innen – unter ihnen 61 mit Nobelpreis.